IPv6 kommt: Was Firmen jetzt unternehmen müssen

„Die Erschöpfung von IPv4-Adressen betrifft in erster Linie Internet Service Provider, die viele IP-Adressen verwenden, sowie aufgrund der weiteren Ausbreitung von Smartphones auch Mobilfunkanbieter. Für ISPs ist es an der Zeit, ihren IPv6-Implementierungsplan umzusetzen. Die IPv6-Integration und Implementierung könnte zeitaufwändig sein: Es dauert schon, sich IPv6-Kenntnisse anzueignen, die Architektur zu designen, Testläufe durchzuführen, und IPv6 produktiv gehen zu lassen“, sagt Christoph Müller-Dott, Geschäftsführer von Orange Business Services Deutschland.

Allerdings, so Müller-Dott weiter, „werden die ISPs unterschiedlich mit der IPv4-Erschöpfung umgehen und damit, wie sie ihren Kunden weiterhin IPv4-Inhalte und -Services zugänglich machen. In naher Zukunft wird das Internet über eine Mischung von Zugangstypen verfügen, was daran liegt, wie jeder Provider den Migrationsprozess zu IPv6 handhabt. Die direkte Konsequenz daraus ist, dass der Übergang nicht für alle Anwendungen nahtlos sein wird, insbesondere wenn Provider IPv4-Address-Sharing-Mechanismen im Spiel sind.“ Müller-Dott sieht das als Argument dafür, dass Unternehmen Inhalte und Applikationen bevorzugt auch direkt über IPv6 zugänglich machen sollten.

IPv4 ist noch lange nicht tot

Nach Ansicht von Michael Wöhrle von Unisys ist die Einführung von IPv6 in jedem Fall gründlich vorzubereiten. Aber dafür sei noch Zeit: „Eine Umstellung auf das neue Protokoll – was die Ablösung von IPv4 impliziert – ist derzeit weder sinnvoll noch notwendig.“ Ähnlich äußert sich auch Olaf Mischkovsky, Technikspezialist bei Symantec in Mitteleuropa: „Das Problem mit IPv6 ist für Firmen derzeit eher klein, die wenigsten haben eine kurzfristige Umstellung auf dem Radar.“

Christoph Becker, Service Consultant Netzwerk und Security bei D-Link, spricht sogar davon, dass „momentan eine unheimliche Panikmache“ festzustellen sei – auf Endkundenseite für Panik aber wirklich kein Grund bestehe. „Die bestehenden Strukturen bleiben ja nach wie vor erhalten. Die IPv4-Welt wird weiterlaufen.“ Becker sieht aber auch, dass Firmen oder Behörden bei Ausschreibungen schon seit einiger Zeit und inzwischen immer häufiger verlangen, dass die angebotenen Produkte IPv6-fähig sind – ohne sich jedoch darüber im Klaren zu sein, was sie damit genau erwarten. Die Forderung an sich sei berechtigt, allerdings sei es für ein erfolgreiches Projekt sinnvoll, diese Anforderung näher zu definieren.

Dass geschieht aber oft wohl deshalb nicht, weil die Verantwortlichen das selbst noch nicht so genau wissen. Die meisten Experten sind sich einig, dass das Wissen über IPv6 – zumindest in den Firmen – in der Regel noch mangelhaft ist. „Der Umstieg auf IPv6 ist mehr als einfach ein Tausch des Protokolls auf Ebene 3“, sagt D-Link-Mann Becker. Alle Experten sind sich daher einig, dass zunächst einmal IPv6-Wissen bei den Mitarbeitern aufzubauen ist.

Gute Vorbereitung ist der halbe Erfolg

Christoph Müller-Dott, Geschäftsführer von Orange Business Services Deutschland (Bild: Orange).
Christoph Müller-Dott, Geschäftsführer von Orange Business Services Deutschland (Bild: Orange).

„Ausgehend von einer Bestandsaufnahme – Netzinfrastruktur, Netzübergänge, Dienste und so weiter – müssen die Auswirkungen der Einführung von IPv6 verdeutlicht werden. Die Kosten für die Anschaffung neuer Hardware, die Anpassung der Konfiguration und Absicherung von Netzwerkkomponenten, Endgeräten, Applikationen und ähnliches sowie eine Zeit- und Aufwandsabschätzung gehören in dieser Analyse aufgelistet. Wenn diese Analyse gründlich gemacht wurde, ist der weitere Planungsaufwand bei der IPv6-Einführung vergleichsweise gering“, empfiehlt Michael Wöhrle von Unisys.

Orange-Chef Müller-Dott sieht das ähnlich: „Es ist wichtig, genau zu ermitteln, was IPv6 einem Unternehmen bringt. Dazu gehört es, Risiken und Abhängigkeiten abzuwägen sowie damit verbundene Möglichkeiten zu eruieren. Wichtig ist es dabei, die Kontinuität der geschäftlichen Abläufe und das Wachstum des Unternehmens zu beachten. Dazu gehört auch das Thema IT-Sicherheit sowie die Vorbereitung von Applikationen und Netzwerk. Als Beispiele für Abhängigkeiten und Risiken für Unternehmen im Zusammenhang mit IPv6 nennt er:

  • Wenn Partner/Lieferanten/Kunden zu IPv6 migrieren, besteht das Risiko, dass sie mit denen nicht mehr kommunizieren können.
  • Es könnte sein, dass sie Online-Bestellungen (e-Commerce, Website, Extranet) von Kunden, die IPv6 nutzen, nicht mehr annehmen können.
  • IPv6 fähige Endgeräte (Tablet-PCs, PCs, Smartphones) haben Zugang zum Unternehmensnetzwerk und verursachen Zugangs- und Sicherheitsprobleme.
  • Der Einsatz eines IPv6-fähigen Betriebssystems setzt voraus, dass IPv6-Sicherheitsrichtlinien definiert sind.
  • Es könnte erforderlich sein, dass IPv6 in die eigenen Produkte integriert werden muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben und weiterhin mitKunden arbeiten zu können.

„In der idealen Welt würde man natürlich komplett von IPv4 auf IPv6 gehen „, meint Mischkovsky. „Nur müsste man dazu in der idealen Welt auch alle Geräte umstellen – und das ist in der realen unrealistisch, denn es betrifft nicht nur Netzwerkkomponenten, sondern auch andere Geräte, etwa Drucker.“ Und nicht nur der Gerätepark, auch die Anwendungen verursachen Aufwand und Kosten: „In älteren, selbst geschrieben Anwendungen sind die Adressen nicht selten hardcoded. Auch da müsste man bei einer Umstellung nachbessern.“

Schrittweise Umstellung empfohlen

Unterm Strich sind sich die Experten weitgehend einig: Derzeit sollte die Ausbildung der Mitarbeiter im Vordergrund stehen. Darauf aufbauend gilt es, den eigenen, tatsächlichen Bedarf für IPv6 zu ermitteln sowie zu prüfen, wann die Umstellung für welche Bereiche notwendig wird. In vielen Fällen wird es völlig ausreichen, in den nächsten sechs bis zwölf Monaten am Gateway oder in den Bereichen umzustellen, die von außen erreichbar sein sollen.

Orange empfiehlt, „alle Systeme in Betracht zu ziehen, die vom Internet aus oder bei seiner Nutzung sichtbar sind, beispielsweise Websites, Extranets, VPN-Zugänge für externe Anwender oder Software-as-a-Service.“ Dem pflichtet Unisys-Experte Wöhrle bei: „In den meisten Fällen werden bevorzugt die Teile der eigenen Infrastruktur IPv6-fähig gemacht, die extern sicht- und nutzbare Dienste beinhalten. Interne Infrastruktur und Dienste können oft auch später nachgezogen werden.“

Mit der Migration sollte man dann rechtzeitig Stück für Stück beginnen, um sich nicht selbst unnötigem Druck auszusetzen. „Je länger die Einführung von IPv6 hinaussgezögert wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass der Zeitpunkt der Umsetzung durch externe Faktoren beeinflusst wird – und dann durch Projektdeadlines überhastet und unter Umständen unvorbereitet geschehen muss“, warnt Wöhrle.

Voraussetzung dafür ist – wenn man das nicht bereits tut -, ab jetzt darauf zu achten, dass neu angeschaffte Geräte und Software IPv6 in vollem Umfang unterstützt oder notfalls beim Lieferanten darauf drängen. Wobei „IPv6-ready“ ein dehnbarer Begriff ist und nicht unbedingt das garantiert, was man davon erwartet. Besondere Aufmerksamkeit verdienen bei der Planung für und dem Weg zu IPv6 Sicherheitskonzepte und -richtlinien.

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