Experten kritisieren eG8-Gipfel in Frankreich als Augenwischerei

Die französische Regierung verstehe nichts vom Internet, schmücke sich aber mit Auftritten von erfolgreichen Firmenchefs. Journalist Jeff Jarvis erklärte, er "fürchte sich vor denen, die sich vor dem Internet fürchten."

Auf einer Pressekonferenz haben prominente Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen und Web-Aktivisten scharfe Kritik an dem vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zum Internet-Gipfel hochstilisierten eG8-Treffen im französischen Nobelbadeort Deauville geäußert. An der Aktion maßgeblich beteiligt waren Jérémie Zimmermann, Sprecher der französischen Organisation Quadrature du Net, Lawrence Lessig (Gründer von Creative Commons), Jean-François Julliard (Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen), der amerikanische Journalist Jeff Jarvis und ICANN-Mitglied Susan Crawford.

Nach Meinung dieser Personen war „das Internet“ bei dem Treffen der Staatsmänner nicht in angemessener Weise vertreten. Firmen, Rechteinhaber und Regierungen wurden für ihre Versuche, das Internet zu reglementieren gescholten. „Das eG8-Forum ist eine Milchglasscheibe, hinter der sich eine beunruhigende Allianz von Regierungen verbirgt, die danach trachten, das Internet zu kontrollieren, und hinter der sich einige Firmen verstecken, die aus der Einschränkung von Freiheiten im Internet wirtschaftlichen Profit ziehen“, so La Quadrature du Net in einer Mitteilung. Der Journalist Jeff Jarvis ergänzte, er „fürchte sich vor denen, die sich vor dem Internet fürchten.“

Das eG8-Treffen bezeichneten die versammelten Kritiker als eine Inszenierung, bei der eine Regierung ohne echte Verbindung zur Internetgemeinde sich dieser anbiedern wolle, indem sie sich in Begleitung einiger Firmenchefs aus diesem Sektor in der Öffentlichkeit zeige. Damit spielen die Kritiker unter anderem auf die Auftritte von Facebook-Chef Mark Zuckerberg und Google-Chairman Eric Schmidt an.

Laut dem am „Welttag gegen Internetzensur“ am 12. März von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Bericht „Feinde des Internets“ (PDF) zensieren in etwa 60 Staaten Regierungen das Internet und verfolgen Internetnutzer. Dazu gehörten auch 2011 wie in den beiden Vorjahren Birma, China, Kuba, Iran, Nordkorea, Saudi-Arabien, Syrien, Turkmenistan, Usbekistan und Vietnam. Auf die Liste der unter Beobachtung stehenden Länder hatten die Aktivisten im Frühjahr neben Libyen und Venezuela mit Frankreich auch erstmals ein EU-Mitglied genommen.

Grund dafür war vor allem, dass dort die Nationalversammlung im Februar in zweiter Lesung dem Online-Gesetzespaket „Loppsi 2“ („Loi d’orientation et de programmation pour la performance de la sécurité intérieure“) zugestimmt hatte. Demnach kann das Innenministerium jetzt unter anderem ohne gerichtliche Anordnung Provider anweisen, die Webseiten ihrer Kunden nach kinderpornografischen Inhalten zu filtern. Die Schlüsselwörter hierfür sucht eine Regierungsbehörde ohne Kontrolle durch ein Gericht aus.

Die zehn dunkel markierten Staaten stuft Reporter ohne Grenzen als "Feinde des Internets" ein. Die 16 übrigen hervorgehobenen Länder stehen unter Beobachtung (Bild: ROG).
Die zehn dunkel markierten Staaten stuft Reporter ohne Grenzen als „Feinde des Internets“ ein. Die 16 übrigen hervorgehobenen Länder stehen unter Beobachtung (Bild: ROG).

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