Was kosten H.264-Lizenzen wirklich?

Googles Schritt, H.264 aus Chrome zu verbannen, gab Anlass für zahlreiche Spekulationen. Inzwischen hat der zuständige Produktmanager die Kosten dafür als wesentlichen Grund genannt. ZDNet prüft, ob diese Begründung stichhaltig ist.

Googles Ankündigung vergangene Woche, mit Chrome künftig den Videocodec H.264 nicht mehr zu unterstützen, hat für einige Spekulationen gesorgt – vor allem, weil sich Googles Produktmanager Mike Jazayeri so gut wie gar nicht zu den Gründen für den Schritt geäußert hatte.

Das hat er inzwischen nachgeholt: „Wir mussten uns entscheiden, ob wir in eine offene Technologie investieren oder den Status quo einer zersplitterten Plattform akzeptieren, bei der die Geschwindigkeit von Innovationen möglicherweise durch die Interessen derer gehemmt wird, die Lizenzgebühren erhalten“, schreibt Jazayeri. Google setze auf ein offenes Internet. „Wir vertrauen darauf, dass unsere Entscheidung Innovationen vorantreibt, von denen Nutzer und Industrie profitieren.“

Außerdem hat der Google-Mitarbeiter zur Kostenfrage Stellung genommen: „Für Firmen wie Google sind die Lizenzkosten vielleicht nicht entscheidend, aber für das nächste bedeutende Video-Start-up oder Firmen in aufstrebenden Märkten schränken die Gebühren den Wettbewerb ein. Wir glauben, dass das Internet darunter leiden wird, wenn es keine wirklich offene, von einer Community weiterentwickelte Alternative gibt.“ Für Internet Explorer und Safari will Google Plug-ins bereitstellen, die eine Wiedergabe von HTML-5-Videos in Googles WebM-Format erlauben.

Mit der Konzentration auf das eigene WebM-Format spaltet Google die Browser-Community in zwei Lager: Während Apple und Microsoft den H.264-Codec für den HTML-5-Video-Tag unterstützen, stehen Mozilla, Opera und Google hinter WebM. Letzteres hatte der Suchanbieter im vergangenen Jahr nach der Übernahme von On2 Technologies und deren VP8-Technik in ein Open-Source-Projekt umgewandelt.

Der Stand der Dinge bei H.264

Um H.264 nutzen und verbreiten zu dürfen, müssen Browser- und Betriebssystemanbieter, Hardwarehersteller und alle, die für Inhalte im Web Geld verlangen, bereits heute Lizenzgebühren bezahlen. Für Betreiber nichtkommerzieller Websites hat die MPEG Licensing Association, die 26 Firmen mit über 1000 Patenten rund um H.264 vertritt, die Rechte zur kostenlose Nutzung im Februar vergangenen Jahres bis 2015 verlängert. Im August hat der Rechteverwalter dann zugesagt, für die private Nutzung auch danach keine Gebühren zu erheben.

Soweit zur kostenlosen Nutzung – obwohl auch da schon umstritten ist, inwieweit selbst private Nutzer das komplizierte Geflecht der Lizenzrechte rund um H.264 überhaupt durchdringen und selbst bei bestem Willen einhalten können. Wie sieht es jedoch bei der gebührenpflichtigen, gewerblichen Nutzung aus? Wer bezahlt dafür wieviel an wen? Die MPEG LA gibt darüber in ihren Lizenzbedingungen (PDF) Auskunft. Diese wurden das letzte Mal am 5. Januar 2011 geändert und decken einen Zeitraum von fünf Jahren ab.

Die wichtigste Änderung gegenüber der Vorgängerversion findet sich im Kleingedruckten am Ende des neuen Dokuments: Demnach müssen Nutzer von H.264-Features eine gültige „AVC/H.264 Patent Portfolio License“ der MPEG LA besitzen. Darunter fallen grundlegende Patentrechte für den MPEG-4-Part-10-Codec, wie er in Settop-Boxen, Mediaplayern und anderer PC-Software, mobilen Geräten einschließlich Telefonen und tragbaren Fernsehempfängern, Blu-ray-Playern, -Recordern und -Discs, Hardware-Mediaplayern, Kameras und Videokameras, Film-Abo- oder Pay-per-View-Diensten, herkömmlichem Fernsehen und anderen Produkten.

Um dem tatsächlichen Geschäft mit AVC/H.264 gerecht zu werden, sollen „angemessene“ Lizenzgebühren auf jeden Teilbereich der AVC/H.264-Wertschöpfungskette erhoben werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nutzer bereits – wahrscheinlich ohne es zu wissen – die Lizenz zur Nutzung von AVC/H.264 besitzt, ist also sehr groß. Möglicherweise hat er sogar dafür bezahlt, in der Regel bei einem PC sogar mehrfach.

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