Intels Überraschungscoup: Funktioniert „McAfee Inside“?

Forrester-Analyst Andrew Jaquith hält 7,7 Milliarden aber trotzdem für viel Geld – und fragt sich, warum Intel bereit ist, soviel zu bezahlen. Er findet mehrere Antworten.

Erstens gehe es Intel darum, sich im Markt für mobile Geräte besser zu positionieren. Für den Prozessor-Riesen sind die derzeitigen Sicherheitslösungen für die Anforderungen der Milliarden kommender neuer Internetgeräte – seien es nun Tablets, Smartphones, Fernsehgeräte, Autos, medizinische Geräte oder Geldautomaten – einfach nicht geeignet. Jeder, der auf dem heimischen PC einen Virenscanner laufen hat, wird das sicher bestätigen.

Intels Lösungsansatz: Sicherheit muss in Silizium gegossen werden. McAfee-CTO George Kurtz hofft damit, „im Spiel mit den bösen Jungs die Spielregeln zu ändern“. Forrester-Experte Jaquith sieht für Intel den Vorteil dieser prognostizierten Entwicklung darin, dass es nicht mehr nur ein austauschbarer Chip-Fertiger, sondern Lieferant tief integrierter Systeme werden kann.

Dass, so ergänzt Gartner-Experte Walder, sei wohl auch schon Intels Ziel bei der Übernahme des Embedded-Spezialisten Wind River im Sommer vergangenen Jahres gewesen. Indem nun nochmal nachgelegt wird, räumt Intel indirekt ein, dass die vorhandene Technologie nicht ausreicht. Einige weitere, kleinere Zukäufe hält Walder für möglich, eine größere Einkaufstour glaubt er jedoch ausschließen zu können.

Die Strategie, funktionelle Erweiterungen des Kernproduktes zu liefern, um Käufer zu Upgrades zu bewegen, habe McAfee jahrelang erfolgreich praktiziert, so Jaquith: Der Virenscanner wurde nach und nach um eine Firewall, Antispyware, Data Leak Prevention, Host Intrusion Prevention und einiges mehr ergänzt. „Was McAfee mit dem Desktop getan hat, will Intel künftig ‚inside‘ seines Silikons tun.“

Die Sache habe aber auch Haken: Weder Intel noch McAfee haben im gemeinsam angestrebten Markt für mobile Geräe bisher großes geleistet. Intel wurde von ARM die Butter vom Brot genommen. McAfee hat sich erst in den vergangenen Monaten mit kleinen Übernahmen (Trust Digital und TenCube) dorthin orientiert. Auch für den anvisierten Markt für eingebettete Systeme, etwa in Autos oder Fernsehgeräte, musste McAfee im Mai vergangenen Jahres mit SolidCore Technologie zukaufen. „McAfee gebührt Anerkennung dafür, bei seinem denken die PC-Box verlassen zu haben, aber die Ausführung der Ideen steht vorsichtig gesagt erst ganz am Anfang“, so Jaquith.

Ist hardwarebasierende Sicherheit ein Traum von gestern?

Außerdem sieht Andrew Jaquith Intels Hardware-Strategie ausgesprochen kritisch: Vor allem in Firmen sind die Austauschzyklen für Hardware deutlich längr als die für Software – einfach weil es leichter ist, ein Update zu verteilen, als ein Mainboard auszutauschen. Ob eine hardwarebasierende IT-Security-Strategie daran etwas ändern kann bezweifelt Jaquith. Er untermauert diese Zweifel mit einem Beispiel: „Fragen Sie sich doch einmal, wie viele der PCs in ihrem Unternehmen Intel-vPro-fähige Hardware haben? Sie wissen es nicht? Genau dass ist mein Punkt: Trotz Intels Bemühungen, zusätzliche, differenzierende Profi-Features auf und rund um ihre Chips zu packen, werden diese von den Kunden eher als Bonus denn als Herzstück ihrer Enterprie-Management-Strategie gesehen.“ Gründe dafür, warum „McAfee Inside“ dass ändern sollte, kann Jaquith nicht sehen.

Letztes und vielleicht größtes Hindernis für einen Erfolg der Übernahme ist für Jaquith, dass Intel bei der Planung zwar vorausgedacht habe, aber von den Parametern der Vergangenheit ausgegangen sei. Was heißt das? Microsoft-Betriebssysteme sind trotz zahlreicher Änderungen in den vergangenen Jahren im Grunde immer noch wie vor 20 Jahren gestrickt: Sie sollen überall und auf allem laufen. Ganz anders die derzeit erfolgreichen Plattformen für mobile Geräte, also Apple und RIM: Sie sind abgeschlossene, spezialisierte Systeme mit digital signierten, zugelassenen und geprüften Anwendungen. Wenn Apple und RIM ihre Arbeit richtig machen, benötigt man dafür weder Antivirus noch sonstige Sicherheitsfunktionen.

„Beide Hersteller übernehmen die Gesamtverantwortung für ihre Plattformen in einer Art und Weise wie Microsoft das nie getan hätte und nie tun konnte. Weder iOS noch BlackBerry OS sind in irgendeiner Form von Hardwarefunktionen abhängig, die Intel oder irgendjemand anders einbringen könnte. Die gesamte Differenzierung in Bezug auf Sicherheit steckt im Betriebssystem. Und das ist offen gesagt da, wo sie auch hingehört“, so Jaquith.

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