Vorwand Kinderpornografie: EU-weites Zensurgesetz droht

Artikel 21 der Richtlinie ist auch in der EU-Kommission nicht unumstritten. Die EU-Kommissarin für Justiz und Bürgerrechte, Vivane Reding von der Christlich Sozialen Volkspartei in Luxemburg, versuchte Malmström letzte Woche zu überzeugen, Artikel 21 mit den verpflichtenden Websperren aus der Richtlinie zu streichen. Sie hatte dabei genau so wenig Erfolg bei der liberalen Kommissarin wie die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die sich ebenfalls letzte Woche an Malmström wandte.

Damit die Richtlinie Rechtskraft erlangt, muss sie von den EU-Innenministern und dem EU-Parlament gebilligt werden. In Großbritannien, Skandinavien und Italien wird Internetzensur bereits praktiziert. Man kann daher wie bei Spanien davon ausgehen, dass die Innenminister der Richtlinie zustimmen werden. Auch Frankreich wird mit Sicherheit zustimmen. Schließlich hat die derzeitige Regierung das Hadopi-Gesetz auf den Weg gebracht.

Deutschland wird sich gegen Artikel 21 einsetzen. Leutheusser-Schnarrenberger will die anderen EU-Staaten vom deutschen Weg überzeugen. Das erklärte sie in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt. Sie erwarte in den anstehenden Beratungen eine breit gefächerte Debatte, in der sie den Grundsatz „Löschen statt sperren“ vertrete und für eine möglichst breite Unterstützung im Rat und im Europäischen Parlament werben werde“, sagte die Ministerin.

Aus Österreich kommen hingegen andere Töne. Ein Sprecher der parteilosen, von der ÖVP nominierten Justizministerin Claudia Bandion-Ortner erklärte gegenüber dem ORF, es dürfe keine Denkverbote im Kampf gegen Kinderpornografie geben. Man sei dankbar für Malmströms Vorstoß. Andreas Wildberger, Generalsekretär des österreichischen Providerverbands ISPA, hält von der Richtlinie nichts. Die Politik verlange von den Providern die Lösung eines Problems, das in Wirklichkeit gar nicht technischer Natur sei. Gegen Missbrauch würden Netzsperren nicht helfen.

Kritik übte Wildberger auch an den USA: „Die meisten Kinderporno-Inhalte werden in den USA gehostet. Wenn die USA genauso viel Energie in die Verfolgung der Täter stecken würden wie in die Verhandlungen um das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA, dann würde die Situation gleich ganz anders aussehen.“

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Neueste Kommentare 

8 Kommentare zu Vorwand Kinderpornografie: EU-weites Zensurgesetz droht

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  • Am 1. April 2010 um 1:45 von teek

    Unionsparteien
    Da sieht man es wieder Unionsparteien sind der Kirche gar nicht so unähnlich. Beider sind dafür, das Kindesmissbrauch hinter verschlossenen Türen statt finden soll. Nicht in der Öffentlichkeit.

  • Am 1. April 2010 um 11:52 von DROSD

    Zensurgesetz zur Internetpornografie
    Bei diesem Gesetz sollte man nicht von Drohung sondern von einer Pflicht sprechen.

    • Am 1. April 2010 um 12:06 von Matthias

      AW: Zensurgesetz zur Internetpornografie
      Drohung – ganz klar.

      Man brauchte nur einen Aufhänger, irgendwas, was der technisch imkompetente Mensch schluckt, wobei das Volk aufschreit „Ja, macht das“, damit man „andere Pläne“ durchsetzen kann.

      Dass Sperren oder ähnliche Dinge für die wahren Kriminellen (z.B. Pornoring) total unwirksam sind, wurde inzwischen nachgewiesen.

      Darum geht es den Initiatoren aber überhaupt nicht!

      Hier geht es darum, wie man eine Zensur und Kontrolle wie in China auch im europäischen Raum mit den vielzähligen Freiheitsrechten und Gesetzen einführen und halten kann.

      Diese neuen Mechamismen der Zensur und Überwachung kann und wird missbraucht werden!

      Man möchte die Leute bei ihrer „Angst“ packen, um Ziele durchsetzten, wo der gesunde Menschenverstand des Volkes sonst blockieren würde.
      Dabei ist es egal, ob es die Angst ist, dass das eigene Kind missbraucht werden könnte oder ob es die Angst vor Terrorismus ist.

      So wird ja auch die Brauchbarkeit von Köperscannern (Nacktscannern) an Flughäfen stark in Zweifel gestellt.
      Dort geht es auch eher um das Gefühl der Sicherheit.
      Eigentlich eine gefährliche Sache, sich sicherer zu fühlen, ohne sicherer zu sein…

  • Am 1. April 2010 um 18:06 von Johannes Döh

    Des Schwachsinns fette Beute
    Das gleichnamige Weblog stellt die Diskussion der deutschen Internetzensurdebatte quasi lückenlos dar. Die Befürworter von Sperrinfrastrukturen für das Internet sind entweder totalitäre Regime, Lobbygruppen oder christ- „demokratische“ Politiker. Voller Polemik und nicht zu schade, das Wahlvolk zu belügen und zu betrügen, um ihren Einfluss durchzusetzen und die Macht nachhaltig binden zu können, argumentieren sie wissentlich am Kernthema vorbei. Wie brutal und menschenverachtend ist dieses Vorgehen, misshandelte Kinder als Vorwand zu benutzen, um eigene, völlig andere Interessen durchzusetzen? Wäre das Wahlvolk weniger desinformiert, dürften die Parteien, die sich in der Namensgebung um eine „christliche“ Vokabel bemüht haben, niemals mehr den Weg in ein Parlament finden.

  • Am 2. April 2010 um 21:04 von Nick Sinn

    wie zu Zeiten der Alkoholprohibition
    Das gleiche unsinnige wäre den Alkohol (Wein, Bier etc) wegen Alcopops und Komasaufen bei Jugentlichen abzuschaffen.
    Alkoholprohibition aus Großväterzeiten in USA läßt grüßen.

    Viel Spaß weiterhin mit diesen

  • Am 7. April 2010 um 11:31 von Tyler Durden

    Was offline verboten sei, müsse auch online untersagt werden.
    Was Bosbach sagt darf doch wohl nicht wahr sein. Was Offline verboten ist, ist schon immer auch Online verboten. Das ist mal wieder klassische Polemik.

    Nur weil etwas Offline verboten ist, kommt es aber doch dennoch vor. Dagegen geht dann die Strafverfolgung vor.

    Genau dieses Vorgehen, wird doch auch Online gefordert: Löschen nach Bekanntwerden und nicht sperren.

    Das BKA läuft ja auch nicht durch die Gegend und stülpt einem Autodieb einen Vorhang über!

    Wie ich diese Polemik in der deutschen Politik verabscheue! Die ständigen Versuche der Konservativen, dem Bürger glaubend zu machen, das Internet sei in seiner jetzigen Form rechtsfrei. Das ist dermaßen erlogen, dass man eigentlich Konsequenzen fordern müsste.

  • Am 5. März 2011 um 15:20 von Jann

    Trauerspiel.
    Wenn man ein ungeliebtes Gesetzt auf nationaler ebene nicht durchgedrückt bekommt reicht man es hoch auf EU ebene.

    Die sollten erstmal vorlegen was sie alles gegen die Ursachen von Kindermissbrauch getan haben.

  • Am 9. Juni 2011 um 8:41 von Anonymer

    Ganz toll…
    Erst sind es die Kinderpornos, dann die Raubkopierer, dann Seiten „kritischer“ politischer Aktivisten, dann die Meinungsfreiheit… Und wir lassen es uns gefallen.

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