Vorratsdatenspeicherung: Freibrief für den Gesetzgeber

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung ist alles andere als wegweisend im Hinblick auf die Datenschutzbedürfnisse der Bürger. Das Urteil schränkt nur die Nutzung der Daten ein, nicht jedoch ihre Erhebung.

Kein Telekommunikationsunternehmen kann heutzutage sicherstellen, dass die Daten nicht gestohlen werden. Sie landen möglicherweise sogar in der Hand von ausländischen Regierungen. Ferner lässt sich nicht ausschließen, dass die Telekommunikationsunternehmen die Daten selbst nutzen, verkaufen oder eine fremde Nutzung dulden, beispielsweise durch soziale Netzwerke.

Das Volkszählungsurteil von 1983 gilt heute als wegweisendes Urteil für einen modernen Datenschutz. Es verbot schon damals die massenhafte Erhebung von Daten von Bürgern ohne hinreichenden Verdachtsgrund. Bei der aktuellen Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung macht das Gericht eine Kehrtwendung und erlaubt die Erhebung von geradezu gigantischen Datenmengen – verglichen mit den Volkszählungsdaten von 1983. Hinzu kommt, dass diese Daten heutzutage mit einfachsten Mitteln ausgewertet werden können.

Ein Urteil im Sinne der Bürgerrechte ist das sicher nicht. Das Gericht weist auf die zahlreichen Gefahren einer Vorratsdatenspeicherung hin. Man hätte erwarten können, dass es dem anerkannten Credo aus dem Volkszählungsurteil folgt. Warum es das nicht getan hat, ist die Grundlage zahlreicher Spekulationen. Das geht soweit, dass dem Gericht ein gewisses „Untertanendenken“ gegenüber der EU-Legislative unterstellt wird.

Unabhängig von den Gründen für die Entscheidung muss festgehalten werden, dass sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den letzten Jahren von den verfassungsmäßig verankerten Grundrechten weg zu mehr Überwachung und Kontrolle durch den Staat verlagert hat. Auf eine dringend notwendige Gegenbewegung durch alle Gewalten sowohl national als auch supranational kann man derzeit nur hoffen.

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Neueste Kommentare 

3 Kommentare zu Vorratsdatenspeicherung: Freibrief für den Gesetzgeber

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  • Am 10. März 2010 um 11:36 von BeWild

    zu früh gefreut
    Ich hatte bisher leider keine Zeit mich näher mit dem genauen Wortlaut des Urteils auseinander zu setzen, aber ich hatte es schon irgendwie im Urin, dass da noch was dickes kommen wird.
    Was bedeutet das für mich?
    Weiterhin aktiv bleiben im Kampf gegen den Überwachungsstaat.
    So wird einem wenigstens nicht langweilig :-)

  • Am 13. März 2010 um 16:10 von Tim

    Staatliche Interessen über alles…..
    Ich finde es unglaublich, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei den Menschen heute keinen Wert mehr darstellt. Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes spiegelt daher nur die Meinung der Bürger wider, die sich kaum darum scheren, dass ihre Daten überall abrufbereit liegen, bei Amazon, bei Ebay, bei Yasni, Twitter und wie sie alle heißen. Damit wird jede erdenkliche Kleinstkriminalität abrufbar und kann meiner Karriere schaden. Kein Wunder, dass Frau Käßmann keinen Bock mehr auf das Amt hatte, weil ihr Fehltritt von den Medien bis ins letzte Detail durchgekocht wurde. Das will keiner. Aber dieser Druck wird in Zukunft nicht mehr „nur“ auf Personen bestehen, die in der Öffentlichkeit stehen, sondern jeder Bürger X oder Bürgerin Y wird ausgespäht. Praktisch, denn damit wird jeder epressbar, denn wer handelt schon 100% korrekt und legal während seiner ganzen Lebenszeit ? Gabs vielleicht mal eine sexuelle Seitensprung auch mal in eine bizarre Richtung ? Hat die Person mal irgendwas runtergeladen, was nicht legal war ? Ist Frau P. über Rot gefahren mit dem Fahrrad und hatte dabei auch noch einen meßbaren Alkoholpegel ? Das erinnert mich dem Grunde nach an die Ethik Akten bei Scientology, wo genau private Informationen und Vorlieben gespeichert werden, nach dem Motto: Vielleicht kann mans noch mal brauchen , oder ?
    Unter dem Deckmantel des kampfes gegen den Terrorismus erlaubt man die Sammlung aller möglichen Daten. Spüren werden es erst die, die die fatalen Folgen am eigenen Leibe erleben. Glück Auf!

  • Am 17. März 2010 um 9:34 von Heinz

    Verfassungsgericht
    Von welcher Verfassung ist eigentlich hier die Rede?

    Wir haben doch gar keine Verfassung sondern nur ein Grundgesetz!

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