Vorratsdatenspeicherung: Freibrief für den Gesetzgeber

Die Begründung für das Urteil kann man nur als naiv bezeichnen. Auch ohne großes IT-Fachwissen bei einem Richter am Bundesverfassungsgericht vorauszusetzen, sollte man erwarten, dass der eine oder andere Datenschutzskandal der letzten Zeit auch bei Deutschlands höchstem Gericht bekannt ist.

Die Deutsche Telekom, bei der ein sehr großes Datenaufkommen durch die Vorratsdatenspeicherung entsteht, ist diesbezüglich alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Einem Unternehmen, das gerne selbst „Ermittlungen“ anstellt, sollte eine Vorratsdatenspeicherung tunlichst verboten werden.

Im Endeffekt kann beim derzeitigen Stand der Technik nicht sichergestellt werden, dass Daten aus einer Vorratsdatenspeicherung nicht in falsche Hände geraten. Bei der Volkszählung 1983 ging es darum, dass jeder Bürger alle paar Jahre einen Fragebogen auszufüllen hatte. Bei der Vorratsdatenspeicherung wird sämtliche Kommunikation per Telefon, SMS, MMS und E-Mail aufgezeichnet. Wer sein Handy nicht zu Hause lässt, dessen genaue Bewegungen werden mindestens „mobilfunkmastgenau“ aufgezeichnet.

1983 war es einem privaten Computerbenutzer auch nicht möglich, größere Datenmengen zu verarbeiten. Sie konnten nicht einmal transportiert werden. Heute lassen sich auf einem USB-Stick mit 64 GByte Speicher mindestens eine Milliarde Datensätze mit Datum, Uhrzeit, Ort und beteiligten Kommunikationspartnern speichern, wenn man ein handelsübliches Kompressionsprogramm verwendet.

Ein Datendiebstahl ist bei den derzeitigen technischen Möglichkeiten alles andere als unwahrscheinlich. Das gestohlene Material lässt sich auf jedem Notebook auswerten. Solche Szenarien müssen auch vor dem Hintergrund des Aurora-Angriffs betrachtet werden, bei dem die chinesische Regierung mit bezahlten Helfern in den angegriffenen Unternehmen zusammenarbeitete. Die meisten Unternehmen hatten den Angriff nicht einmal bemerkt und sind erst von Google darauf aufmerksam gemacht worden.

Gegen die Kombination von Angreifern innerhalb und außerhalb eines Unternehmens sowie die Ausnutzung von Sicherheitslücken, die in jeder Software vorhanden sind, gibt es heute keinen Schutz. Data-Loss-Prevention-Lösungen und BSI-Zertifizierungen können allenfalls das Gewissen beruhigen, das Bestmöglichste getan zu haben. Die Daten sind trotzdem in der Hand von ausländischen Regierungen oder kriminellen Datenhändlern. Der einzig mögliche Schutz besteht darin, die Daten erst gar nicht zu erheben und Verstöße gegen die Nichterhebung empfindlich zu bestrafen.

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3 Kommentare zu Vorratsdatenspeicherung: Freibrief für den Gesetzgeber

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  • Am 10. März 2010 um 11:36 von BeWild

    zu früh gefreut
    Ich hatte bisher leider keine Zeit mich näher mit dem genauen Wortlaut des Urteils auseinander zu setzen, aber ich hatte es schon irgendwie im Urin, dass da noch was dickes kommen wird.
    Was bedeutet das für mich?
    Weiterhin aktiv bleiben im Kampf gegen den Überwachungsstaat.
    So wird einem wenigstens nicht langweilig :-)

  • Am 13. März 2010 um 16:10 von Tim

    Staatliche Interessen über alles…..
    Ich finde es unglaublich, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei den Menschen heute keinen Wert mehr darstellt. Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes spiegelt daher nur die Meinung der Bürger wider, die sich kaum darum scheren, dass ihre Daten überall abrufbereit liegen, bei Amazon, bei Ebay, bei Yasni, Twitter und wie sie alle heißen. Damit wird jede erdenkliche Kleinstkriminalität abrufbar und kann meiner Karriere schaden. Kein Wunder, dass Frau Käßmann keinen Bock mehr auf das Amt hatte, weil ihr Fehltritt von den Medien bis ins letzte Detail durchgekocht wurde. Das will keiner. Aber dieser Druck wird in Zukunft nicht mehr „nur“ auf Personen bestehen, die in der Öffentlichkeit stehen, sondern jeder Bürger X oder Bürgerin Y wird ausgespäht. Praktisch, denn damit wird jeder epressbar, denn wer handelt schon 100% korrekt und legal während seiner ganzen Lebenszeit ? Gabs vielleicht mal eine sexuelle Seitensprung auch mal in eine bizarre Richtung ? Hat die Person mal irgendwas runtergeladen, was nicht legal war ? Ist Frau P. über Rot gefahren mit dem Fahrrad und hatte dabei auch noch einen meßbaren Alkoholpegel ? Das erinnert mich dem Grunde nach an die Ethik Akten bei Scientology, wo genau private Informationen und Vorlieben gespeichert werden, nach dem Motto: Vielleicht kann mans noch mal brauchen , oder ?
    Unter dem Deckmantel des kampfes gegen den Terrorismus erlaubt man die Sammlung aller möglichen Daten. Spüren werden es erst die, die die fatalen Folgen am eigenen Leibe erleben. Glück Auf!

  • Am 17. März 2010 um 9:34 von Heinz

    Verfassungsgericht
    Von welcher Verfassung ist eigentlich hier die Rede?

    Wir haben doch gar keine Verfassung sondern nur ein Grundgesetz!

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