Umsatz um jeden Preis: falsche DNS-Antworten der Provider

Alice und T-Online betreiben ihre „Hilfeseiten“ laut IP-Adressabfrage mit whois selbst. Kabel Deutschland nutzt bei seiner „DNS Assistance“ als Dienstleister die Firma Infospace in Bellevue im US-Bundesstaat Washington, unweit der Konzernzentrale von Microsoft. Da jedoch bei Alice und Kabel Deutschland exakt dieselben Suchergebnisse und dieselben „verwandten Suchbegriffe“ erscheinen, siehe Bild 1 und Bild 2, lässt sich vermuten, dass Infospace auch bei Alice Inhaltsanbieter der „Hilfeseite“ ist.


Bild 2: Die Kabel Deutschland DNS Assistance wird von Infospace betrieben. Die Firma hat ein eher zweifelhaftes Image.

Infospace verwendet die hauseigene „Metasuchmaschine“ dogpile, um Suchergebnisse von Google, Bing, Ask und anderen anzuzeigen, ohne selbst das World Wide Web zu indizieren. Die Firma gilt als nicht sonderlich seriös. Im März 2000 konnte Infospace durch sogenannte „Lazy-Susan-Deals“ den eigenen Aktienkurs auf ein Allzeithoch von 1305 Dollar bringen. Im Juni 2002 betrug der Kurs nach dem Auffliegen der zweifelhaften Geschäfte noch 2,67 Dollar. So verlor Microsoft-Mitgründer Paul Allen 400 Millionen Dollar.

Bei einem Lazy-Susan-Deal investiert eine Firma in eine andere, die jedoch mit dem Geld nichts macht, außer nach einem erstaunlich kurzen Zeitraum einen Teil des Geldes an den Investor zurückzuzahlen. So wird eine hohe Kapitalrendite vorgetäuscht.

Infospace investierte beispielsweise acht Millionen Dollar in die Firma von Atul Jain, dem jüngeren Bruder des Firmengründers Naveen Jain. Atul Jain zahlte umgehend fünf Millionen Dollar an Infospace zurück. Dieses Geld wurde als Umsatz gebucht. Es hätte jedoch auch als einmalige Abschreibung auf Investitionen in den Kosten auftauchen müssen, um ein realistisches Bild der Situation widerzuspiegeln.

Infospace gestand schließlich ein, dass es sich bei den 46 Millionen Dollar Bilanzgewinn aus dem Jahr 2000 in Wahrheit um einen Bilanzverlust von 282 Millionen Dollar gehandelt hatte. Juristisch liegt kein Betrug, sondern die Anwendung einer „kontrovers diskutierten Bilanzierungsmethode“ vor. Infospace gelang es, sich mit Geschäftsmodellen wie dem Verkauf von Handyklingeltönen über Wasser zu halten.

Verdächtige Datenübermittlung an Yahoo Search Marketing

Bei einer Firma mit einem Ruf wie Infospace sollte man sich überlegen, ob man nicht besser darauf verzichtet, auf ihre Website zu gelangen. Ob und welche Daten Infospace über den Benutzer speichert, dürfte sich letztendlich auch einer Kontrolle durch Kabel Deutschland und Alice entziehen.

Wer auf ein Suchergebnis aus der Liste der „Hilfeseiten“ von Alice, Kabel Deutschland oder T-Online klickt, landet nicht direkt auf der gewünschten Seite, sondern zunächst auf einem Server von Yahoo Search Marketing (früher Overture.com). Der weitere Inhalt der URL ist verschlüsselt. Wählt man etwa den vorgeschlagenen Link für ZDNet.de aus, wird man von der „Hilfeseite“ an eine URL wie

http://rc10.overture.com/d/sr/?xargs=15KPjg1hxSt5auwuf0L%5FiXEbqUkwwBlO7B9r0cC%2D
V5bqcv8HplV%5FYuPa7By%5FVIaO1l63zYufqQ%5F68fOqz2n%5F%2DUFBCMRlSXG%2Df6yt2QwMFpJvH
0HccW0qQ49trxyItMKi5Rbz%5FuJb32w7KjdIOWajwJoc1slUOPrLVjw8uglL8TEayJgl967Q7Zed9Ara
o2nouEboRDHsJsRsfNxjmAIdpNy8ok162UB2gfKT3zrWINvAuNJRFPkQ%2E%2E

weitergeleitet. Erst von dort wird der Benutzer auf die Zielseite geschickt. Das ist eine ziemlich lange URL, und sie enthält entschlüsselt mit Sicherheit mehr Informationen als „//www.zdnet.de“. Selbst wenn man noch Billing- und Provisioning-Daten von ein paar Byte zugesteht, bleibt die Frage offen, welche Informationen an Yahoo übermittelt werden und was Yahoo damit anstellt. Um die mühsam zusammengestellten und verschlüsselten Daten einfach nach /dev/null zu verschieben, sind sie Yahoo bestimmt zu wertvoll.

Themenseiten: Alice, Big Data, Breitband, Datenschutz, Kabel Deutschland, Kommunikation, Mobil, Mobile, Privacy, Security-Analysen, Telekom, Telekommunikation, Zensur

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Neueste Kommentare 

6 Kommentare zu Umsatz um jeden Preis: falsche DNS-Antworten der Provider

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  • Am 31. Dezember 2009 um 3:39 von Martin

    T-Online
    Ja, das ist mir bei T-online auch schon oft passiert: Nur ein kleiner Vertipper, und man erhält eine völlig unnötige Liste von anderen Angeboten.
    Ich glaube, das hat mit dem neuen Zugangserschwerungsgesetz zu tun.

  • Am 4. Januar 2010 um 7:35 von Django

    Link
    Hallo zusammen, wieso beschreibt ihr den Weg zu dem Opt-Out bei T-Online nicht.

    Ich kann diesen im Kundencenter nicht finden.

    Grüßle

  • Am 28. Februar 2010 um 22:36 von Olaf Sendhorst

    Habe gerade bei Kabel Deutschland umgestellt
    Hallo,

    ich habe gerade bei KD angerufen. Der Techniker wusste sofort worum es geht und hat die Umschaltung vorgenommen. Nach max 90min. (neuer DHCP-Request vom Client erforderlich) ist die Umschaltung aktiv. Mals sheen…

    • Am 8. März 2010 um 23:17 von Christoph H. Hochstätter

      AW: Habe gerade bei Kabel Deutschland umgestellt
      Wir haben es heute auch noch mal versucht. Ohne jeden Erfolg. Wieder wussten die Techniker nicht, worum es überhaupt geht.

  • Am 21. April 2010 um 2:04 von Marc

    Nicht nur E-Mail, sondern auch SAMBA ist betroffen
    Vielen Dank für diesen investigativen, gut recherchierten Artikel – umso mehr, als dass das Thema in Fachzeitschriften bisher leider eher vernachlässigt worden ist.

    Kabel Deutschland scheint überhaupt nicht zu überblicken, welchen Blumenstrauß technischer Probleme diese fragwürdige Geschäftspraxis dem Kunden bringt. Die Probleme mit E-Mail erwähnt der Artikel bereits. Hinzufügen lässt sich etwa, dass Ubuntu-Benutzer innerhalb des eigenen LANs nicht mehr auf ihre SMB-Freigaben (!) zugreifen können, wenn sie an einem Kabel Deutschland-Anschluss sitzen und die standardmäßigen DNS-Server von Kabel Deutschland benutzen:

    http://forum.ubuntuusers.de/topic/windows-rechner-sind-urploetzlich-nicht-mehr-/#post-2010345

  • Am 21. April 2010 um 14:33 von Marc

    Erfahrungen mit Kabel Deutschland lassen sich bestätigen
    Leider muss ich die schlechten Erfahrungen von Herrn Hochstätter mit Kabel Deutschland bestätigen: Bei meinem Anruf unter der Service-Rufnummer (0800) 526 66 25 erklärte sich die Kabel Deutschland-Mitarbeiterin für generell unzuständig – selbst dann noch, als ich ihr die im obigen Artikel zitierte Kabel Deutschland-Stellungnahme wörtlich vorlas („… Dazu müsse der Nutzer die kostenlose 24-mal-7-Servicerufnummer (0800) 526 66 25 anrufen. Dort schalte man für Kunden auf Wunsch andere DNS-Server …“).

    Stattdessen wollte sie mich an eine kostenpflichtige 0900er-Nummer verweisen, mit der ich bereits in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht habe, bzw. alternativ – das ist jetzt kein schlechter Scherz von mir – an eine *Postadresse* in Erfurt (!).

    Offensichtlich ist sich Kabel Deutschland gar nicht bewusst, wie heikel das eigene Vorgehen in dieser Angelegenheit rechtlich ist.

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