Experten-Interview zur Rechtslage bei Microsofts OEM-Lizenzen

Was darf man mit OEM-Lizenzen tun und was nicht? Die Frage ist fast so alt wie das Vertriebsmodell für Software - und die Kommunikation der Hersteller zum Thema oft unklar. ZDNet hat bei einem Urheberrechtsexperten nachgefragt.

Der kürzlich bei ZDNet erschienene Beitrag zu Lizenzfragen bei Windows 7 ist auf reges Interesse gestoßen. Besonders der Abschnitt über OEM-Lizenzen hat für einige Rückfragen und Kommentare gesorgt. Grund: Die Regelungen in diesem Bereich sind auch bei Juristen umstritten, denn um sie zu bewerten, muss man tief ins Urheberrecht einsteigen. ZDNet hat daher beim Münchner Rechtsanwalt Andreas Meisterernst, einem Spezialisten für Urheberrecht, nachgefragt.

ZDNet: Die Details der Lizenzbestimmungen von Windows 7 im Speziellen, aber auch von Windows allgemein sorgen regelmäßig für hitzige Diskussionen. Warum ist das so?

Meisterernst: Das liegt vor allem daran, dass sich die Technik deutlich rascher weiterentwickelt als die Rechtsprechung und erst recht die Gesetzgebung. Gerade letztere hinkt den technischen Möglichkeiten immer weit hinterher. Das führt dazu, dass eigentlich für andere Sachverhalte ausgearbeitete Gesetze auf die neue Situation angewendet werden müssen. Das ist naturgemäß nicht immer einfach.

ZDNet: Neben dem Thema Gebrauchtsoftware, das wir hier aber einmal ausklammern wollen, beschäftigen die Leser besonders die Regelungen zu den sogenannten OEM-Lizenzen. In der Kommunikation von Microsoft entsteht immer wieder der Eindruck, die Kopie von Windows sei an den PC gebunden, mit dem sie erworben wurde, und lasse sich nicht auf einen anderen PC übertragen. Das sei unter anderem ein Grund dafür, warum sie vergleichsweise wenig koste. Kann man das so stehen lassen?

Meisterernst: Spätestens seit dem sogenannten OEM-Urteil des Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen I ZR 244/97) lässt sich das so pauschal nicht mehr behaupten. Denn demnach ist die OEM-Software nicht an einen PC gebunden. Damals ging es zwar in der Hauptsache darum, ob Händler die Verbindung zwischen PC und Software lösen dürfen, aber was ihnen erlaubt ist, sollte dem Endverbraucher auch gestattet sein.

Rechtsanwalt Andreas Meisterernst von der Münchner Kanzlei Meyer-Meisterernst (Bild: privat).
Rechtsanwalt Andreas Meisterernst von der Münchner Kanzlei Meyer-Meisterernst (Bild: privat).

ZDNet: Der OEM-Hersteller benutzt ja spezielle Imaging-Tools, um Windows auf den von ihm hergestellten PCs zu installieren. Einen Datenträger bekommt der Käufer gar nicht mehr. Ändert das etwas daran?

Meisterernst: Der Datenträger ist in dem Fall ja die Festplatte des Rechners. Laut Paragraf 69d, Absatz 2 des Urhebergesetzes hat jeder das Recht, sich eine Sicherungskopie zu erstellen. Wörtlich heißt es dort: „Die Erstellung einer Sicherungskopie durch eine Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist, darf nicht vertraglich untersagt werden, wenn sie für die Sicherung künftiger Benutzung erforderlich ist.“ Zweck dieser Sicherungskopie ist es, dass der Kunde bei einem Defekt die Möglichkeit hat, diese zu nutzen. Sonst wäre es ja sinnlos, sie zu erstellen.

ZDNet: Bei Defekten unterscheidet Microsoft zwischen dem Austausch von Teilen, etwa des Mainboards, durch den OEM-Hersteller – dem dieser gestattet sein soll – und dem PC-Besitzer, dem dies untersagt sein soll.

Meisterernst: Wer den Austausch oder die Reparatur vornimmt, darf eigentlich keine Rolle spielen. Es ist zwar verständlich, dass der Softwarehersteller durch solche Bestimmungen versucht, Missbrauch vorzubeugen, juristisch betrachtet haben sie jedoch keinen Bestand.

ZDNet: Warum versuchen die Hersteller Ihrer Meinung nach dann dennoch, solche Regelungen durchzusetzen?

Meisterernst: Dabei geht es wohl weniger darum, den privaten PC-Besitzern das Leben schwer zu machen. Es ist wohl eher ein Versuch, sich eine Handhabe gegen den Missbrauch im großen Stil zu bewahren.

ZDNet: Sie würden in einem Schadensfall also Ihre OEM-Lizenz bedenkenlos von einem Rechner auf einen anderen übertragen?

Meisterernst: Ja, und ich denke, ich habe auch die rechtlichen Argumente, um das ausreichend zu begründen. Denn letztlich ist das Ganze eher ein Marketingproblem als ein juristisches Problem der Hersteller.

ZDNet: Was meinen Sie damit genau?

Meisterernst: Bei der heutigen Kommunikation geht der private Anwender doch davon aus, dass er das Programm wirksam erworben hat und darüber dann nach Gutdünken verfügen darf. Das ist ähnlich wie bei einem Buch: Auch daran erwirbt man mit dem Kauf die Nutzungsrechte. Das klingt zunächst einmal gut, aber was bedeutet es? Zum Beispiel, dass man es lesen, ausleihen oder weiterverkaufen darf. Es heißt aber nicht, dass man den Inhalt beliebig weiterverwenden oder es beispielsweise ohne weiteres vermieten darf.

ZDNet: Was müssten die Hersteller denn tun?

Meisterernst: Ganz einfach: Um den oben geschilderten Problemen aus dem Weg zu gehen, könnten sie die Software zum Beispiel vermieten. Dann hätten sie deutlich weiter reichende Verfügungsrechte über die Verwendungsmöglichkeiten.

ZDNet: Und warum tun sie das nicht?

Meisterernst: Auch dafür gibt es einen einfachen Grund: Sie würden sich damit eine ganze Reihe an Verpflichtungen aufladen, etwa zur Gewährleistung. Die aber wollen sie nicht übernehmen, denn das könnte unter Umständen sehr teuer werden.

ZDNet: Die Situation für den Verbraucher ist aber – so wie sie jetzt ist – doch unbefriedigend.

Meisterernst: Ja, aber das liegt nicht an den Gesetzen, sondern an der Kommunikation der Hersteller. Stellen sie sich einfach vor, ein PC-Anbieter würde offen darlegen, dass bei einem Defekt des Rechners auch die Software für den Käufer nutzlos wird. Der Rechner wäre einfach nicht verkaufbar. Andererseits ist das genau die Situation, die sich die Softwareanbieter wünschen. Durch diesen Spagat kommt es zu den widersprüchlichen Aussagen.

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