Stasi-IM muss Online-Berichterstattung mit Namensnennung dulden

Ein ehemaliger "Inoffizieller Mitarbeiter" der Stasi muss es dulden, dass im Internet unter Veröffentlichung des Bildes über ihn berichtet und er namentlich genannt wird. Es handelt sich um ein historisch bedeutsames Ereignis, so dass das öffentliche Informationsinteresse überwiegt, entschied das Landgericht München.

Ein ehemaliger „Inoffizieller Mitarbeiter Beobachtung“ (IMB) der Stasi, der zu den wenigen IMs gehört hat, die von dem Ministerium zur „Zersetzung, Zerschlagung oder Zurückdrängung von Feinden“ eingesetzt wurden, klagte vor dem Landgericht München gegen die personalisierte Berichterstattung über seine Person.

Die Beklagte ist Verantwortliche einer Website, auf der über die Aktivitäten der Staatssicherheit berichtet wird. Unter der Rubrik „Stasiakten/Anlagen“ war dort auch ein Foto veröffentlicht, auf dem der Kläger zu sehen war. Das Lichtbild zeigte einen Militärstaatsanwalt, der 1989 die Räumlichkeiten des Ministeriums der Staatssicherheit versiegelte. Die Bildunterschrift nannte den Namen und die Funktion des Klägers.

Der Kläger war der Auffassung, dass die Veröffentlichung des Bildes mit Namensnennung nicht gerechtfertigt sei. Es bestehe kein Informationsinteresse, da er in der DDR weder ein öffentliches Amt bekleidet noch eine sonstige Position des öffentlichen Lebens ausgefüllt habe.

Die Richter des Landgerichtes München wiesen die Klage ab (Aktenzeichen 9 O 1277/09). Ihrer Ansicht nach steht dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zu. Zwar habe er der Bildveröffentlichung nicht zugestimmt, jedoch handle es sich um eine Aufnahme aus dem Bereich der Zeitgeschichte, durch deren Verbreitung berechtigte Interessen des Klägers nicht verletzt würden.

Das Bild zeige ein historisch bedeutsames Ereignis, da ein Moment eingefangen worden sei, der einen nicht unwesentlichen Schritt auf dem Weg zum endgültigen Zusammenbruch der DDR darstelle. Der Kläger ist darauf zu sehen, wie er dem Militärstaatsanwalt über die Schulter blickt, während dieser das Ministerium für Staatssicherheit versiegelt.

Zwar habe der Kläger kein offizielles Amt bekleidet, dennoch habe er sich als IMB von anderen informellen Mitarbeitern und vor allem der übrigen Bevölkerung abgehoben. Seine Position sei damit durchaus exponiert gewesen.

Vor diesem Hintergrund müsse das grundsätzliche Interesse des Klägers an Anonymität, welches Bestandteil seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei, hinter der Informationsfreiheit zurücktreten. Die Aufarbeitung historischer Ereignisse und die Ermittlung der geschichtlichen Wahrheit seien Teil der Demokratie.

Im vorliegenden Fall sei es zudem so, dass die Person des Klägers relevant sei. Gerade die Besonderheit des Augenblicks und die „Funktion“, die er seinerzeit eingenommen habe, lasse die Veröffentlichung gerechtfertigt erscheinen.

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