Tauss zieht gegen Zensursula vor das Bundesverfassungsgericht

Das Gesetzgebungsverfahren zum Zugangserschwerungsgesetz sei formal falsch gewesen. In dem Organstreit geht es nicht um den Inhalt des Gesetzes. Die FDP, die Grünen und die Linke wollen sich als Fraktionen der Klage nicht anschließen.

Der von der SPD zur Piratenpartei übergetretene Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss hat beim Bundesverfassungsgericht ein sogenanntes Organstreitverfahren nach Artikel 93 (1) Nummer 1 GG beziehungsweise § 13 Nummer 5 BVerfGG gegen das Internetzensurgesetz eingeleitet. Bei der Klage geht es nicht um die inhaltliche Prüfung des Gesetzes, sondern darum, ob der Bundestag seine Rechte oder Pflichten verletzt hat.

Ein solches Verfahren können gemäß § 63 BVerfGG der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und Teile dieser Organe, etwa einzelne Abgeordnete, anstrengen. Bürger können dieses Verfahren nicht beantragen.

Tauss kritisierte, dass die Gesetzesvorlage nicht gemäß § 78 (1) BTGO in drei Beratungen, meist Lesungen genannt, behandelt worden sei. In einer ersten Lesung legten die Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD eine Gesetzesvorlage zur Änderung des Telemediengesetzes vor.

Nach einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses verlangte die SPD jedoch Nachbesserungen, die unter anderem beinhalteten, dass statt einer Änderung des Telemediengesetzes ein Spezialgesetz zu schaffen sei. Dieses Zugangserschwerungsgesetz ist am 18. Juni von Bundestag in zweiter und dritter Lesung verabschiedet worden. Eine erste Lesung habe laut Tauss nie stattgefunden. Ähnliche Kritik übte der FDP-Abgeordnete Max Stadler in der Debatte über das Gesetz und kündigte ebenfalls Verfassungsbeschwerde an.

Inzwischen will die FDP auf den Organstreit jedoch verzichten. Tauss beklagte in einen Tweet, dass die FDP "trotz Debattengetöse" keinen Organstreit wolle. Auch die Grünen und die Linke würden "kneifen". Er will seine Klage nun allen Abgeordneten vorlegen, die nach § 65 (1) BVerfGG das Recht haben, sich nachträglich anzuschließen.

Ein Verzicht auf Organstreitverfahren, wie ihn die FDP in diesem Fall praktiziert, ist in der parlamentarischen Praxis nicht unüblich, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass ein formal korrektes Gesetzgebungsverfahren keine andere Entscheidung herbeigeführt hätte. Da ein neues Gesetzgebungsverfahren vor der Bundestagswahl jedoch als unwahrscheinlich gilt, könnten andere Mehrheits- und Koalitionsverhältnisse das Internetzensurgesetz verhindern, sofern die Klage Erfolg hat.

In dem anstehenden Verfahren müssen Tauss und eventuelle Mitstreiter unter anderem nachweisen, dass sie in ihren Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet wurden und die dargelegte Verletzung nicht durch eigenes politisches Handeln hätten verhindern können.

Ein formelles Prüfungsrecht von Gesetzen steht ferner dem Bundespräsidenten zu. Die Auffassungen der Verfassungsrechtler, wie weit dieses Recht geht, sind allerdings geteilt: Teile der Rechtswissenschaft vertreten die Meinung, dass der Bundespräsident nur eine erforderliche Beteiligung des Bundesrates prüfen dürfe. Andere Verfassungsrechtler sind der Ansicht, dass sich das Prüfungsrecht auf das gesamte Gesetzgebungsverfahren erstreckt.

Unabhängig von diesem Verfahren befinden sich Verfassungsbeschwerden gegen den Inhalt des umstrittenen Gesetzes in Vorbereitung. Zu den möglichen Klägern gehören Franziska Heine und der Arbeitskreis Zensur. Die Gegner des Gesetzes argumentieren unter anderem, dass die Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit nicht zulässig sei, da das erklärte Ziel „Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet“ mit dem Gesetz nicht erreicht werden könne.

Themenseiten: Gerichtsurteil, Internet, Privacy, Telekommunikation, Zensur

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