Experten-Interview: Wie Firmen mit Geschenken Geld verdienen

ZDNet: Für welche Technologiefirmen stellen die neuen Entwicklungen die größte Gefahr dar?

Anderson: In meinem Buch wird es auch ein Kapitel über Microsoft geben. Das Unternehmen hat länger Erfahrung im Umgang mit der digitalen Gratis-Wirtschaft als jedes andere: Bill Gates schrieb schon in den siebziger Jahren einen Brief an die Bastler, in dem er sie aufforderte, für Software zu bezahlen. In den achtziger Jahren musste sich Microsoft mit der Anwendungssoftware herumschlagen, die mit Computern gebundelt war – WordPerfect und so weiter. Später stand Microsoft im Wettbewerb mit der Softwarepiraterie in China, dann mit Netscape und Open Source. Irgendwie haben sie es aber immer geschafft, sich durchzusetzen.

Jetzt sind Microsofts Probleme Netbooks und die Tatsache, dass wir eigentlich überhaupt keine Anwendungen mehr benötigen. Auf meinem Netbook ist lediglich Google Chrome installiert. Als Betriebssystem läuft Ubuntu, und ich benutze Google Docs. Es ist der erste Computer, den ich besitze, an dem Microsoft nicht einen Penny verdient hat. Aber ich bin ein privater Konsument. Die Schlussfolgerung aus diesem Kapitel ist, dass man im Wettbewerb mit „gratis“ nicht gewinnen kann.

ZDNet: Sie betonten die Tatsache, dass Sie Ihr Netbook als „privater Konsument“ nutzen …

Anderson: Sicher, denn der Markt ist zweigeteilt: Einerseits gibt es Menschen, die sehr auf den Preis achten und nicht besonders anspruchsvoll sind, was die von ihnen eingesetzte Software anbelangt. Sie kommen wahrscheinlich gut mit den Gratis-Angeboten zurecht. Aber es gibt auch Unternehmen – und die haben ganz anderen Anforderungen. Sie bezahlen im Prinzip nicht für die Software, sondern für den Support und den dafür abgeschlossenen Vertrag. Sie bezahlen für die Sicherheit, die ihnen ein Anbieter gewährleisten kann. Man könnte auch sagen, Microsoft hat sein Geschäft inzwischen von Softwarevertrieb auf Risiko-Reduzierung umgestellt.

ZDNet: Wenn das so ist: Können Sie sich ein kostenloses Windows 7 vorstellen?

Anderson: Aber sicher! Auf vielen Ebenen ergibt das sicherlich keinen Sinn, aber ich hätte einen Vorschlag, wie es funktionieren könnte: Nehmen wir mal an, Netbooks setzen sich durch. Und nehmen wir mal an, Windows 7 sei tatsächlich für Netbooks geeignet – wohinter noch ein großes Fragezeichen steht. Warum sollte dann die Netbook-Version von Windows 7 nicht gratis sein? Vergleichen wir die Preisgestaltung von Ubuntu, denn derzeit haben Käufer eigentlich nur die Wahl zwischen Windows XP und Ubuntu. Ich möchte XP lieber nicht benutzen, und Vista kommt überhaupt nicht in Frage. Also verwende ich Ubuntu. Aber die Hälfte dessen, was ich tun will, funktioniert damit nicht richtig.

Bisher war ich immer ein Windows-Anwender, und ich finde es eigentlich auch in Ordnung. Warum sollte Microsoft Netbooks nicht ähnlich behandeln wie seinerzeit die Softwarepiraterie in China? Man muss ein Marktsegment ja nicht lieben, um anzuerkennen, dass es existiert. Es ist doch besser, die Nutzer verwenden meine Produkte, als die von jemand anderem. Ich würde daher eine Netbook-Version von Windows 7 kostenlos abgeben – in der Hoffnung, dass die Menschen wenigstens weiterhin Windows benutzen und dann, wenn sie sich der Einschränkungen eines Netbooks bewusst werden, zu einer kostenpflichtigen Version meiner Software wechseln.

Themenseiten: Betriebssystem, Bill Gates, Facebook, Google, IT-Business, Mittelstand, Strategien, Windows 7

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