IT-Fachkräfte in der Krise: Ab 40 wird ausgemustert

Vor rund einem Jahr bekam Griephan freitags eine Anfrage für ein auf 14 Tage angesetztes Projekt. Beginn: am darauffolgenden Montag. „Der Auftraggeber hatte aus ganz Deutschland Freiberufler zusammengekratzt, die eine Web-2.0-Plattform entwickeln sollten.“ Auch die Ideen sollten dafür von den Freien kommen. „Alle anderen Beteiligten hätten im Hinblick auf ihr Alter meine Kinder sein können“, so Griephan.

„Sie waren fachlich gut, und wir haben uns auch gut verstanden, aber dem Projekt fehlten die klaren Vorgaben.“ Einfach einen Haufen Leute zusammenbringen, die dann versuchen, täglich von 9 bis 21 Uhr etwas auf die Beine zu stellen, sei blauäugig. Nach einigen Monaten, in denen das Projektende nicht erkennbar wurde, sagte sich Griephan, dass es so nicht weitergehen könne und stieg aus.

Die IT ist eine schnell wachsende, sich schnell verändernde Branche. Flexibilität und Innovationen stehen ganz oben. „Menschen, zumindest wenn sie schon etwas älter sind, kommen nicht ganz leicht mit diesen dauernden Veränderungen klar“, hat der Bremer Arbeitswissenschaftler Wolfgang Hien beobachtet. Hien hat kürzlich für eine Studie die Lebensläufe älterer IT-Fachkräfte untersucht und kommt zum Fazit: „Spätestens mit 45 gehört man zum alten Eisen.“

Nach dem Platzen der Internetblase, so Hien, habe sich die Branche verändert – teils schleichend, in manchen Unternehmen aber auch abrupt. „Einige für die Studie befragte ITler sprachen von einer Re-Taylorisierung oder Industrialisierung, die dann begann: Statt ganzheitlicher Programmentwicklung schustert man Software aus vielen Modulen zusammen, die teilweise irgendwo eingekauft oder systematisch im Ausland produziert worden sind.“ Da sei nichts mehr vom Nimbus der Ganzheitlichkeit und Kreativität zu spüren, wie das eben noch vor 20 Jahren der Fall gewesen sei. „Da die Betroffenen älter geworden sind, leiden sie nun darunter“, sagt Hien.

Themenseiten: Analysen & Kommentare, IT-Business, IT-Jobs

Fanden Sie diesen Artikel nützlich?
Content Loading ...
Whitepaper

Artikel empfehlen:

Neueste Kommentare 

4 Kommentare zu IT-Fachkräfte in der Krise: Ab 40 wird ausgemustert

Kommentar hinzufügen
  • Am 5. März 2008 um 18:24 von Chris H. Schmidlin

    Problematik bekannt – Konzerne in der Verantwortung
    Wieso soll es in der IT anders sein als in anderen Industriezweigen?
    Mangelndes Verantwortungsgefühl der Manager wird sich früher oder später auch hier rächen.

    Durch Verzicht auf die Erfahrung langjähriger Mitarbeiter verschleudert die Wirtschaft jährlich Milliarden.

    Durch die Auslagerung zu Dienstleistern vor Ort oder sogar in andere Kulturkreise wird die Verschwendung noch gesteigert, da der Reibungswiderstand hoch ist.

    Persönlich finde ich die Entwicklung nicht nur bedenklich sondern auch gefährlich. Knowhow geht nicht nur verloren, sondern wird erst gar nicht mehr gebildet. Das eigene IT-Personal wird einfach verbrannt und dann weggeworfen. Ein grundlegendes Umdenken ist dringend nötig!
    Das fängt bei der Ausbildung an, sollte mit normalen/geregelten Arbeitszeiten weitergehen und für Ältere angepasste Karierepläne beinhalten.

  • Am 6. März 2008 um 0:25 von Manfred Hoffmann

    Ältere IT-Fachkräfte gehören in Projekte
    Die Diskussion um die Ausmusterung der über 40jährigen vergißt, die Rahmenbedingungen in Frage zu stellen. Das kann auch ein Grund für die Betonung der Altersfrage sein: Angst schüren unter den Mitarbeitern, damit sie nicht mehr kritisch Entscheidungen und Prozesse hinterfragen, die natürlich nicht naturbedingt passieren. In dieser Art kann Innovation auch grundsätzlich unterdrückt werden. Denn es ist zu bemerken, dass Innovationen nur wenig mit Jugend direkt zu tun haben, sondern mit Nachdenken. Und es ist manchmal so, dass Erfahrenere kürzere Wege im Nachdenken benötigen als Jüngere, die noch nicht so viel Erfahrung haben. Also ist meine Devise: cool bleiben auch als über 50 jähriger.

    • Am 6. März 2008 um 9:27 von D.K.

      AW: Ältere IT-Fachkräfte gehören in Projekte
      Es bleibt nichts anderes übrig als cool zu bleiben. Als arbeitsloser 50er gibt es kaum eine Chance auf Vermittlung. Ich habe das hinter mir und mache mich jetzt als IT-Berater selbständig. Was soll man auch anderes tun, wenn man sich nicht als so alt fühlt wie die Gesellschaft es meint.

  • Am 20. Juni 2009 um 16:46 von Henry von Steubenfels

    Die alten teuren Fachkräfte
    müssen ja irgenwann mal gegen frische Ware ausgetauscht werden, die schnell Code runterhacken. Wenn der Code dann scheisse ist läuft man zur Kanzlerin, jammert etwas von Fachkräftemangel und hofft dann auf billige, willige und braungebrannte Jungs aus Bangalore oder verlegt seine IT Abteilung gleich dahin, wie zB eine deutsche TELCO oder ein Bankhaus das macht. Eigentlich müssten die dann deutsch durch indisch ersetzen. Bleibt zu hoffen, das ein noch deutsches Bahnunternehmen sowas nicht macht, einige Züge kommen den indischen ja schon recht nah. Zum Glück sind die Jungs aus Bangalore schlau, und gehen gleich dorthin, wo ordentlich bezahlt wird. BITKOM und Co können schön bei Angie weiterjammern.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *