Billy Hinners | Autodesk | „Die IT und das Business suchen eine gemeinsame Sprache“

Billy Hinners, CIO von Autodesk, spricht über die Software seines Arbeitgebers, über acht Millionen Kunden in der Bau-, Medien- und Fertigungsbranche sowie über seine Vision einer grüneren Zukunft und umweltfreundlicheren Software. Im Interview mit ZDNet-Chefredakteur Dan Farber erzählt er von mehr als 20 Jahren, die er in der Produktentwicklung bei Autodesk gearbeitet hat, und von seiner neuen Funktion als CIO.


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Autodesk ist eine große Firma mit 1,5 Milliarden Dollar Einnahmen im letzten Jahr. Ihre technische und Architektur-Software ist bekannt. Sie sind aber auch im Unterhaltungsgeschäft – wo sehen Sie den Schwerpunkt?

Carol Bartz, die Vorstandsvorsitzende der Firma, hat das sehr schön definiert. Sie sagt, dass alles, was Gott nicht geschaffen hat, wohl von einem unserer Kunden kommt. Mir gefällt es, dass wir den Leuten helfen, einfach alles zu bauen, womit wir heute arbeiten.

Autodesk hat acht Millionen Kunden. Wer sind sie und wofür nutzen sie Ihre Produkte?

Unsere Kunden sind aus der Bauindustrie, also Architekten und Bauingenieure, die die Gebäude, in denen wir leben und arbeiten, entwerfen und bauen. Das ist einer unserer großen Märkte. Dann die Fertigungsbranche: Das sind die Leute, die das herstellen, was wir täglich benutzen: Also Artikel wie Telefone, Autos, Fernsehgeräte und Rolltische. Sie alle verwenden unsere Produkte für Entwicklung und Herstellung.

Der nächste große Bereich ist der Infrastrukturservice, geografische Dienste und Hochbau: Wenn etwa der Grund für ein großes Gebäude vermessen wird und die Erdbewegungen berechnet werden müssen, kommen unsere Produkte zum Einsatz.

Und zuletzt sind da noch Medien und Unterhaltung, also digitale Aufnahmen. Hier ändert sich einiges: Die Unterhaltungsindustrie stellt gerade komplett auf digital um.
Sie braucht also Software für Bearbeitungen, Nachbearbeitungen und Effekte. Da kommen Produkte von uns zum Einsatz.

Sie haben selbst 20 Jahre in der Produktentwicklung von Autodesk gearbeitet. Jetzt sind Sie dort CIO. Wie haben Sie Ihre Arbeitsweise aus der Produktentwicklung, wo es hauptsächlich um Teamwork geht, auf die Ebene eines CIO gebracht? Kann man so etwas auf breitem Niveau für die Firma realisieren?

Der Wechsel von der Produktentwicklung zur IT war eine große Herausforderung. Ich habe lange in der Produktsparte Auto-CAD gearbeitet. Schon als ich dort anfing, hatten wir eine große Codebasis. Unsere Aufgabe lag darin, diesen Millionen Zeilen Code neue Eigenschaften hinzuzufügen, um sie für die Kunden zu einem verlockenden Angebot zu machen, ohne etwas Vorhandenes aus diesen Millionen Zeilen zu verlieren. Und eine unserer großen Leistungen, auf die ich wirklich stolz bin, war es, dass wir den Versionszyklus von 24 Monaten im schlimmsten Fall und 18 Monaten im günstigsten Fall auf ein Jahr heruntergebracht haben. Wir können überzeugende Features hinzufügen, ohne den Jahreszyklus zu unterbrechen.

Die IT dagegen ist ein ganz anderes Spiel – da arbeitet man gleichzeitig an 30 verschiedenen Projekten, die weder miteinander zusammenhängen noch irgendwie miteinander in Zusammenhang gebracht werden können. Und dabei gibt es Zeitvorgaben, die irgendwo zwischen drei Monaten und einem Jahr liegen – einem für die IT sehr langen Zeitraum. Da entsteht also viel mehr Druck, es passiert viel mehr und man hat keine Auszeit. Man geht von einem Projekt ins nächste und braucht viel Kraft zum Umdenken.

Wie bestimmen Sie, welche Projekte grünes Licht bekommen? Und wenn Sie 30 Projekte haben, wie kommen Sie mit dieser Komplexität zurück?

Wir machen jetzt vieles besser als damals, als die Firma noch in den Kinderschuhen steckte. Wie haben Unternehmensrichtlinien für die Verwaltung des Projektportfolios und der Prioritäten eingeführt. Jeder Geschäftsbereich legt einmal jährlich seine Prioritäten vor. Das Governance Board bestimmt, welche zuerst angegangen werden.

Wir erstellen auch einen detaillierten Jahresplan und eine weniger detaillierte Dreijahresplanung. Wir zeigen den Abteilungen: Wenn ein Projekt vielleicht nicht im ersten Jahr drankommt, läuft das doch wie beim regelmäßigen Busverkehr – wenn man einen verpasst hat, kann man den nächsten nehmen. Das ist besonders herausfordernd, weil bei Autodesk große Nachfrage nach Verbesserung der Geschäftsprozesse besteht.

Wir haben vorhin davon gesprochen, dass Sie aus der Produktentwicklung kommen und man dort sehr stark zusammenarbeitet. Welche Tools und Techniken von dort setzen Sie zur Förderung innovativer Arbeitsbereiche und Beschleunigung der Produkterstellung ein?

Ich glaube, dass eine unserer großen Herausforderungen die Globalisierung ist: wie wir mit einer zunehmend verstreuten Belegschaft arbeiten. Das erschwert ständig die Koordinierung und Kommunikation. Dafür suchen wir also nach Lösungen. Für unsere Kunden haben wir etwa Buzzsaw. Das war vor einigen Jahren eine Innovation, um diese Art Zusammenarbeit zu unterstützen.

Also Leute, die gleichzeitig an einer Zeichnung oder einem Plan arbeiten.

Richtig. Wir suchen ähnliche Techniken für verbesserte Kollaboration zur internen Verwendung.

Arbeiten Sie größtenteils mit E-Mails, oder setzen Sie Wikis oder Blogs oder andere Web-2.0-Technologien ein?

Wir arbeiten noch stark mit Mails. Aber langsam ändert sich das. Natürlich benutzen wir auch Wikis in der IT. Wir setzen sie ein, um zu sehen, wie weit es noch bis zum Projektabschluss ist. An unseren Projekten sind Leute auf der ganzen Welt beteiligt. Jeder im Team kann sich informieren, wie gerade der Status ist. Die Techniker verwenden sie also zunehmend.

Blogs verwenden wir hauptsächlich, um Kunden mitzuteilen, was intern passiert.

Ihr CEO Carl Bass hat etwas Interessantes gesagt, nämlich: „Mit Autodesk können die Kunden sehen, was sie bauen, bevor sie es gebaut haben.“ Können Sie diese Idee auch auf die IT anwenden? Können Sie nicht nur Ihre Datenbank virtualisieren, sondern die Entwicklung eines Geschäftsprozesses?

Ich bin mir nicht sicher, ob wir das können, aber wir müssen eigentlich. Ein großes Problem für IT-Projekte ist, dass interne Nutzer oft nicht richtig wissen, was sie brauchen. Sie können nicht genau angeben, was wir für sie bauen sollen.

Das trennt also IT und Businessanwender…

Ja, genau. Man sucht nach einer gemeinsamen Sprache, um zu sagen, „das ist es, was wir brauchen“. Wenn man nicht von vornherein gute Spezifikationen hat, führt das später zu vielen Änderungen. Dann kann man Termine nicht halten oder muss den Umfang zurückstecken. Das kann viel Frustration bringen.

Wir brauchen also zu Beginn einen Kommunikationskreislauf, in dem wir dem Business helfen, sich vorzustellen, was es bekommt – durch Prototypen oder durch eine Technik, mit der wir gerade zu experimentieren beginnen. Sie stammt von einem Startup namens I-Rise. Damit werden IT-Systeme simuliert – und vor allem, wie die Nutzer diese Systeme bedienen.

Sprechen wir kurz über Ihre wichtigsten Plattformen. Fokussieren Sie bei Ihren Rechenzentren mehr auf Scale Out oder Scale Up?

Wir sind gerade dabei, unsere Rechenzentren-Strategie zu überdenken. Grund dafür ist der Trend, dem die Branche gegenübersteht – die Computerisierung ins Uferlose zu erweitern. Zuerst wurden der einzelnen CPU immer mehr Cores hinzugefügt. Dann kamen mehr CPUs pro Server und danach mehr Server in einem Rechenzentrum. Das führt zu einem großen Rechenpotential, das man jederzeit an der Hand hat. Darum denken wir bei Autodesk intern über Software als Service nach – eine immer attraktive Lösung, um dieses Rechenpotential unseren Kunden zur Verfügung zu stellen. Wir als IT müssen uns also überlegen, wie wir eine Plattform für Software-as-a-Service schaffen können.

Amazon Web Services interessieren uns auch sehr. Die haben einige Innovationen aufzuweisen.

Zum Beispiel die Elastic Compute Cloud.

Genau, die Elastic Compute Cloud, aber auch den Simple Storage Service. Das ist für uns recht interessant. Wir haben gerade ein paar Experimente angefangen. Wir wollen sehen, ob wir auf solchen Pools aufbauen können.

Was unternehmen Sie in Bezug auf Ihre eigenen Rechenzentren? Viele Firmen konzentrieren sich derzeit auf Zusammenlegung, Virtualisierung, Kostenreduzierung und grüne Datenzentren.

Ja. Das ist ein anderer Trend, dem die Branche heute gegenübersteht. Die Energiekosten klettern sehr hoch. Ein Weg ist da sicherlich Virtualisierung. Wir arbeiten sehr stark damit. Wenn zwei Server zu höchstens 50 Prozent ausgelastet sind, können Sie sie mit Virtualisierung kombinieren. Sie verhalten sich dann wie zwei und bieten doch die ganze Leistung des Einzelservers. Sie können also einen abschalten. Das ist eine großartige Technologie.

Zum Schluss: Welche Trends beobachten Sie? Was wird sich letztendlich wesentlich auf Ihre IT auswirken?

Ich habe schon den Punkt angesprochen, dass Energieeinsparung ein wichtiger globaler Trend ist. Das passt auch zum Thema Analysen: Unsere Kunden möchten ihre Gebäude oder Geräte analysieren, um den späteren Energieverbrauch zu sehen, bevor sie sie bauen.

Aber natürlich betrifft es uns auch intern. Wir müssen darauf achten, wie wir Lieferanten auswählen. Wir wählen gern Lieferanten, die wie wir soziale Verantwortung und grünes Engagement zeigen.

Das hat aber auch Einfluss auf die Verwaltung unserer Rechenzentren. Neulich hatte ich die Idee, dass wir in unserer Branche „heiße“ Computer brauchen. Die heutigen Computer wurden für das Umfeld geschaffen, in dem seine menschlichen Bediener arbeiten. Aber in der Realität müssen sie eigentlich anderen Ansprüchen entsprechen. Sie müssen für das schlimmste Szenario eines Rechenzentrums ausgelegt sein, denn dort werden sie zunehmend stehen. Da hat man immer die Sorge, was passiert bei Stromausfall mit einem Server oben im Regal, im Schrank des Datenzentrums, bevor die Generatoren anlaufen können? Der Computer kann während dieser Ausfallzeit eine Temperatur erreichen, die 15 bis 20 Grad über der umgebenden Raumtemperatur liegt. Darum müssen Computer also für diese Temperaturen konzipiert werden. Wenn wir dieses Niveau anheben und unsere Rechenzentren wärmer fahren könnten, würde dies den Energieverbrauch drastisch reduzieren. Laut der jüngsten Statistik macht die Kühlung ungefähr 60 Prozent der Betriebskosten eines Rechenzentrums aus.

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