Für Katastrophenhelfer sind Sicherheit und Kommunikationsmöglichkeiten unabdingbar

Simon Jennings spricht über den Erfolg des Oxfam-Wassereimers und den ungewöhnlichen Katalog der Wohltätigkeitsorganisation, in dem man alles kaufen kann - vom Kamel bis zu Schulbänken. Der folgende Auszug aus dem kompletten Video-Interview zeigt seine wichtigsten Konzepte.

Sie sind der CIO von Oxfam Great Britain, das zu Oxfam International gehört. Bitte beschreiben Sie Ihren Verantwortungsbereich und die Rolle von Oxfam GB in der internationalen Organisation.

Oxfam ist eine Organisation, die sich dem Kampf gegen Armut und Hunger auf der ganzen Welt widmet. Oxfam International ist der Dachverband – eine Vereinigung von zwölf Organisationen, darunter Oxfam USA, Oxfam Irland und Oxfam Niederlande oder auch Novic. Oxfam GB ist eine von ihnen.

Oxfam GB ist meines Wissens eine ziemlich große Organisation.

Ja, Oxfam GB ist etwa zweimal so groß wie die zweitgrößte Oxfam-Organisation, was Einnahmen angeht. Es war auch die erste, die gegründet wurde – im Jahr 1942. Die Organisation hat weltweit 5300 Angestellte. Wir operieren in 70 Ländern. Ich spreche von Oxfam GB. Wir betreuen von hier aus 144 Büros in all diesen Ländern.

Ich muss absichern, dass jeden Montagmorgen 4000 PCs zuverlässig arbeiten. Natürlich gehört mehr dazu: Die Geschäftsprozesse der Organisation auf der ganzen Welt müssen effizient und effektiv ablaufen.

Allein das Arbeiten in all diesen Ländern und all diesen Büros ist ja schon eine große Herausforderung für die IT-Abteilung. Inwieweit hilft Ihnen Innovation dabei, diese Aufgabe zu bewältigen?

Innovation besteht wohl darin, neu Gelerntes auf ein Problem anzuwenden, um einen neuen Ansatz zu erhalten. Statt IT-Beispiele aufzuführen, möchte ich ein Beispiel für Innovation bei Oxfam GB geben. Und zwar der sogenannte Oxfam-Eimer.

Was soll an einem Eimer innovativ sein? Innovation entsteht aus Problemen. Wir mussten Wasser zu einer abgelegenen Familie bringen. Wir haben also einen Eimer entworfen, der von einer Person getragen werden kann und nicht zu schwer ist. Dann musste man den Plastikring am Boden abschleifen, um ihn auf dem Kopf transportieren zu können. Als nächstes mussten wir auf Hygiene achten – wir wollten das Wasser ja sauber halten. Der Eimer braucht also einen Deckel – dann kann nichts verschüttet werden und nichts eindringen. Er brauchte am Boden auch einen einsetzbaren Hahn, um Wasser zu entnehmen, ohne schmutzige Schöpflöffel benutzen zu müssen. Und besonders interessant ist, dass dieser Eimer nur ein Zehntel so groß ist wie die alten Kanister. Denn beim Transport per Flugzeug ist die Größe von entscheidender Bedeutung.

Das ist ein gutes Beispiel für Innovation. Und zudem hat der Eimer sogar einen Design-Preis gewonnen.

Innovation betrifft also nicht nur Technologie, sondern auch Prozesse, Organisationsarbeit und Produkte?

Genau. Ein anderes sehr gutes Beispiel: Vor zwei Jahren wollten wir unsere Sponsoren besser einbinden. Das sind Leute, die Oxfam Geld spenden und uns vertrauen, dass wir es effektiv gegen Armut und Leid einsetzen. Wir wollten also einen Weg finden, um diese Sponsoren auf eine neue Weise mit einzubinden.

Also haben wir etwas Neues entwickelt, den Katalog „Oxfam Unwrapped“. Er enthält Produkte wie Moskitonetze, Kamele, Wassertanks und Schulbänke. Jeder kann finanzieren, was er möchte. Sie können ein Geschenk für einen Freund kaufen, der dann eine Karte mit der Nachricht bekommt: „Ich habe für dich einen Tisch in einer Schule gekauft.“ Dadurch können sich Sponsoren direkt engagieren. Für uns ist das sehr erfolgreich.

Das heißt aber auch, dass wir zeigen müssen, dass wir diese Tische wirklich in den Schulen abgeliefert haben. Das ist sehr, sehr wichtig, denn Zuverlässigkeit und Vertrauen gehen bei unserer Arbeit Hand in Hand. Die Innovation an diesem Katalog war nicht nur die direktere Form des Sponsoring, sondern auch die Präsentation. Bis letzte Weihnachten konnten wir 14 Millionen Pfund einnehmen, davon 11 Millionen über das Internet. Das Werkzeug IT konnte für die Organisation Einnahmen erarbeiten und Sponsoren einbeziehen.

Sie haben mehr als 5000 Angestellte und 20.000 freiwillige Helfer, die sich mit dem Kampf gegen Armut und Hunger befassen. Wie bewältigen Sie das alles aus Sicht der EDV?

Wir haben zwei Belastungspunkte. Der eine ist die Versorgung der Mitarbeiter in den Büros mit Anwendungen. Und der zweite ist die Mobilität. Man muss sich das so vorstellen, dass unsere Büroversorgung über VPN-Verbindungen läuft.

Das Mobilitätsproblem ist eine andere Herausforderung. Es geht ganz banal um Manager, die von einem Büro zum nächsten wechseln. Da wir in acht Regionen eingeteilt sind, haben wir regionale Verwaltungszentren für sechs bis zehn Länder. Das Regionalmanagement muss Schulungen abhalten, in die ländlichen Büros gehen und Leute anstellen oder Beurteilungen durchführen. Also bewegen sie sich in einer mobilen Welt, wie in vielen kommerziellen Organisationen.

Unser zweites Problem in der Mobilität ergibt sich, wenn wir uns um Katastrophen kümmern. Die erste Hürde für Katastrophenhilfe ist, wenn ein Mitarbeiter feststellt: „Hier gibt es keinen Strom, kein Wasser, keine Telefonverbindung, kein Breitband. Wie kann ich Verbindung aufnehmen?“ Da muss man sehr innovativ sein, darf aber die Sicherheit nie aus den Augen lassen, denn für Leute, die bei einer Katastrophe eingesetzt sind, ist Kommunikation doppelt wichtig. Sie müssen kommunizieren und sagen können, was vor sich geht und welche Mittel sie benötigen.

Und wir brauchen die Kommunikation auch, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Viele der Einsatzorte unserer Mitarbeiter sind relativ unsicher. Deshalb müssen wir für mindestens zwei Formen sicherer Kommunikation sorgen. Vor Jahren wollten wir ein Produkt schaffen, das Laptop und Satellitenverbindung zur Sprach- und Datenübertragung kombiniert. Wir hatten da etwas intern entwickelt, aber das wurde vom Markt ganz schnell überholt. Und so arbeiten wir jetzt mit den größeren Anbietern.

Genau wie auch andere NGOs ist Oxfam an vielen Brennpunkten auf der ganzen Welt tätig. Wie häufig kommunizieren Sie mit anderen NGOs über das Thema Innovation?

Es gibt zwei Gruppen, mit denen wir direkt zusammenarbeiten. Auf humanitärem Gebiet arbeiten wir mit sieben anderen NGOs zusammen, etwa Plan und KUS. Sie befassen sich speziell mit der Bildung von Kapazitäten in Notsituationen. Das Projekt besteht aus vier Einzelschritten. Wir möchten Helfern einen sehr kleinen, leichten Satellitenlink für Sprach-, Fax-, Telefon-, und Datenverbindung zur Verfügung stellen. Unsere Arbeit wurde von Microsoft finanziert und hat uns ermöglicht, unsere Einsätze nach dem Tsunami und in Pakistan einzuschätzen. Dabei sind zwei solide Ergebnisse herausgekommen. Zum ersten haben wir einen Mechanismus entwickelt, um unsere Mitarbeiter mit Schulungen zu unterstützen. Und das zweite war, dass wir eine Internetseite erstellt haben, um Informationen zu Katastrophensituationen mit anderen zu teilen. Das entstand aus der Arbeit über die Bildung von Kapazitäten in Notstandsituationen.

Eine weitere Organisation, mit der wir schon etwas länger zusammenarbeiten, ist Nethope. Das ist eine gemeinnützige Organisation mit 27 Agenturen. Diese Organisation sucht nach Netzwerklösungen für Wohltätigkeitsorganisationen. Die Innovation ist hier: Wenn man mit 27 Organisationen zusammenarbeitet, die weltweit bei Katastrophen oder im Naturschutz tätig sind und vielleicht Wale rund um die Welt beobachten, kann man sich als Käufergemeinschaft an den Lieferantenmarkt wenden und sagen: „Wir brauchen Satelliten-Bandbreite und Satellitenschüsseln. Können Sie uns das liefern?“ Wir arbeiten also in dieser Gruppe und haben jetzt auch eine Beschaffungsvereinbarung.

Hier finden Sie weitere interessante Beiträge aus der ZDNet-Reihe „CIOs im Interview“.

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