Zu viele Informationen: Warum wir nicht mehr richtig aufmerksam sein können

CNET: Sehen Sie eine breitere Reaktion in den Unternehmen auf diese Art Arbeitsumgebung, oder glauben Sie, dass damit jeder selbst zurechtkommen muss?

Hallowell: Ich glaube, die Verantwortlichen werden es kapieren und etwas unternehmen. Sie erreichen einen Alarmzustand, in dem das Hirn zu qualmen anfängt, die Alarmglocken läuten, Pfeifen gehen los, die Menschen wandern ab und die Produktivität sinkt. Wir sind noch nicht ganz da angekommen. Ich glaube, die cleveren Unternehmen kapieren es gerade.

CNET: Fällt Ihnen ein Beispiel ein?

Hallowell: Ich habe mit jemandem gesprochen, der eine große Firma in New York führt, und er sagte, dass er seine Angestellten auffordert, sich mehrere Tage im Monat Zeit nur zum Nachdenken zu nehmen – das Büro verlassen und nur hinausgehen und nachdenken. Sie sollen kein E-Mail und kein Handy mitnehmen – Sie sollen sich unerreichbar machen. Und ich glaube, das ist wirklich eine intelligente Managementstrategie.

CNET: Sie sagen, Angst kann ADE begünstigen. Wie das?

Hallowell: Wenn sie Angst haben, widmet Ihr Hirn viele Ressourcen dem Überleben. Sie schalten in den Überlebensmodus. Die niederen Hirnzentren beschäftigen die höheren Zentren, um sicherzustellen, dass Sie nicht getötet werden. Sie bekommen einen großen Schuss Adrenalin und Cortisol, und Sie schalten auf ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken um: an-aus, auf-ab.

» Heute ist jeder in der Unternehmenswelt durch ADE gefährdet, insbesondere aufgrund der Kräfte des weltweiten Wettbewerbs. «

Sie verlieren die Funktionen, von denen ich vorhin sprach: Flexibilität, die Fähigkeit, Grautöne zu unterscheiden, mit Ungewissheit umzugehen, Humor zu haben, sich mit neuen Ideen zu beschäftigen. All das fliegt zum Fenster hinaus, Sie wollen die Sache nur in Ordnung bringen, denn sonst werden Sie vernichtet. Das ist gut, wenn Sie von einem Säbelzahntiger gejagt werden. Es ist aber nicht gut, wenn Sie sich in ihrer gewöhnlichen alltäglichen Arbeitsumgebung bei IBM befinden.

CNET: Ist es möglich, dass ein Unternehmen als Ganzes ADE hat?

Hallowell: Aber sicher. Nehmen Sie etwa das Büro eines Börsenmaklers. Alle rennen herum, schauen auf ihr Bloomberg, auf die aktuellen Kurse, reagieren auf alles. Sie stürzen sich auf jeden kleinen Stimulus, als würde es einen riesigen Unterschied machen. Und sie haben keine Strategie, oder ihre Strategie wechselt täglich.

Sie rennen alle herum und arbeiten wie besessen. Doch folgen sie in Wirklichkeit den Launen des Marktes. Sie meinen, dass sie hart arbeiten, und sie meinen, dass sie produktiv sind, aber sie sind es nicht. Sie sind beschäftigt, aber sie denken nicht.

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Neueste Kommentare 

2 Kommentare zu Zu viele Informationen: Warum wir nicht mehr richtig aufmerksam sein können

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  • Am 28. April 2005 um 0:34 von Realist

    Alle nehmen sich zu wichtig
    Heutzutage ist man ohne Handy (Email,IM usw.) für die meisten ein Relikt des vergangenen Jahrhunderts. Ich persönlich gönne mir oft den Luxus, das Handy auf dem Schreibtisch liegen zu lassen und nicht mit zu nehmen. Wer das mal probiert hat, "nicht erreichbar" zu sein, wird es geniessen. Und mal ehrlich, sind wir wirklich so unersetzbar?

  • Am 9. Mai 2005 um 11:01 von mdheur

    Zu viele Informationen: Warum wir nicht mehr richtig aufmerksam sein können
    Kann dem Artikel nur zustimmen. Der Mythos
    ewig verfuegbar sein zu muessen und alle Neuigkeiten permanent parat haben zu muessen, fuehrt am Ende zu nichts, da niemand mehr fokussiert arbeitet.

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