Steve Ballmer: „Microsoft ist auf der Höhe seiner Schaffenskraft“

CNET: Woran liegt das?

Ballmer: Vor zehn Jahren wurde vor allem die Entwicklung neuer Funktionen belohnt und weniger das Beheben von Problemen in bestehenden Funktionen. Auf dem Höhepunkt des Browser-Kriegs zwischen Netscape und dem Internet Explorer redete niemand von Sicherheitsproblemen. Die Leute wollten einfach nur immer mehr Funktionen. Das ist nun anders.

Infolge der Vergleichsverfügung und der dadurch bedingten Entwicklungen haben wir nun andere und neue Anforderungen und Erwartungen zu erfüllen. Wichtig ist nun, weiterhin innovativ und attraktiv zu bleiben und den Kunden neue Szenarien zu bieten.

Früher haben wir nur auf einem Gebiet und vielleicht noch einem kleinen weiteren Gebiet konkurriert: Desktop und ein wenig Server-Back-end. Heute versuchen wir auf sechs oder sieben Gebieten zu bestehen.

CNET: In der New York Times war nach der Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof ein interessanter Artikel zu lesen, in dem die These aufgestellt wurde, dass Microsoft im Grunde zu einer unverzichtbaren öffentlichen Einrichtung geworden sei. Daraus ergab sich die Frage, ob Microsoft angesichts all der ständigen Rechtsstreitigkeiten nicht besser daran täte, seine Rolle als öffentliche Einrichtung zu akzeptieren? Ist es denn allzu weit hergeholt, Microsoft wie eine öffentliche Einrichtung zu behandeln?

Ballmer: Ich denke, dass dies ein wenig abwegig ist, da in dem Land unseres Firmensitzes bereits eine souveräne Instanz hierüber geurteilt hat. Die Debatte ist damit beendet. Die Rechtslage ist klar. Es existiert eine Vergleichsverfügung. Das ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen können. Die EU stellt wiederum eine andere souveräne Instanz dar.

Wir würden uns wünschen, dass sich all diese souveränen Instanzen auf die geltende Vorgehensweise einigen könnten. Diesbezüglich sind wir zuversichtlich. Wir haben versucht, Kompromisse herbeizuführen, die einen gemeinsamen Rahmen schaffen. Das ist uns nicht gelungen. Über das Berufungsverfahren in Europa hoffen wir zumindest transatlantisch zu einer gemeinsamen Rechtsgrundlage zu kommen. Ich würde mir wünschen, dass die EU das US-amerikanische Recht stärker respektiert, wie es nicht nur in der Vergleichsverfügung, sondern auch in den gerichtlichen Urteilsverkündungen zum Ausdruck kam.

Microsofts Steve BallmerCNET: Woher nehmen Sie Ihren Optimismus in Anbetracht der Tatsache, dass der Kurs der Microsoft-Aktie im Vergleich zum Nasdaq in letzter Zeit geringere Zuwächse verzeichnete?

Ballmer: Wir haben in den vergangenen Jahren eine Übergangsphase durchgemacht, nach der ich heute aus einigen Gründen viel optimistischer sein kann. Ich will Ihnen zumindest drei dieser Gründe erläutern.

1. Ich sehe die raschen Fortschritte und den unverminderten Einfluss der Technologie, auch wenn die IT-Branche in der Presse totgeredet wird. Ich habe das nie wirklich geglaubt, aber es ist gut, dass wir das jetzt hinter uns haben.

2. Ich weiß, was in unseren Labors entwickelt wird, und das ist eine ganze Menge. Ich bin von unseren neuen Projekten total begeistert.

3. Wir haben die Phase der Gerichtsverhandlungen und Vergleiche hinter uns gelassen und sind zum normalen Geschäftsbetrieb übergegangen – mal abgesehen von der EU-Geschichte, um die so viel Aufsehens gemacht wird. Ja, natürlich ist das eine wichtige Angelegenheit, aber in den USA existiert bereits ein Rahmen dafür. Wir haben gelernt, mit diesem umzugehen und wachsen an unserer neuen Verantwortung.

Jemand fragte mich mal, ob unsere besten Jahre schon vorbei wären. Keineswegs. Wir haben die Entwicklungsphase hinter uns gelassen und sind nun auf der Höhe unserer Schaffenskraft. Vielleicht haben wir ja die ungestüme Energie der frühen Jahre verloren, doch gehen wir nun effizienter und mit der angemessenen Verantwortung vor.

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