Microsoft und Sun: Befreiungsschlag oder Sonnenuntergang?

Diese Positionen scheinen durchaus die Interessenslagen beider Firmen wiederzugeben. So ist Ballmer bereits seit einiger Zeit dabei, die für Microsoft immer lästiger werdenden Rechtsstreitigkeiten nach Möglichkeit beizulegen. Auf die von Sun mit veranlasster Verurteilung durch die EU-Kommission dürfte der Rückzieher McNealys jedoch keinen Einfluss haben. Dem Wettbewerbskommissar geht es eigenen Angaben zufolge nicht um einzelne Geschädigte, sondern um die Wiederherstellung einer fairen Wettbewerbssituation. Wichtiger dürfte für Microsoft sein, dass die rufschädigende Wirkung der Prozesse anfängt, auf das Geschäft durchzuschlagen. Immer mehr Behörden und Unternehmen ergänzen ihre Produktstrategie mit Linux, um sich vom Windows-Monopolisten unabhängiger zu machen. Außerdem muss sich Microsoft den Rücken für die Eroberung des ERP-Marktes freihalten. Nichts könnte den Erfolg hier mehr gefährden als ein Urteil im Java-Prozess zugunsten von Sun. Dadurch würde die Verwendung der Entwicklungsplattform .Net gefährdet, die einst quasi als Clone von Java entstand. Ohne .Net aber können Partner und Kunden die betriebswirtschaftlichen Angebote Microsofts nicht – wie geplant – zu maßgeschneiderten Lösungen ausbauen.

Scott McNealy dagegen hat aus zwölf Quartalen mit sinkendem Umsatz offensichtlich gelernt, dass es dem Geschäft nicht nützt, Windows-Anwendern zu signalisieren, sie unterstützten beim Softwarekauf das Reich des Bösen. Nun will McNealy den Anwendern auf Intel- und AMD-Plattformen Wahlfreiheit einräumen und dafür sorgen, dass sich nicht nur Linux- und Solaris-Systeme, sondern auch Windows-Lösungen problemlos in Sun-Netzwerke einbinden lassen. Anders formuliert: Sun gibt den Client-Markt auf, den es eigentlich schon längst verloren hat, und konzentriert sich auf seine eigentlichen Stärken, die im Server-Markt sowie bei der Rechenzentrumstechniken liegen – auch wenn Sun hier immer weiter hinter IBM und HP zurückbleibt. Dennoch, die Börse honoriert so viel Realismus mit deutlichen Wertsteigerungen. Ob sich damit aber der Absatz verbessern lässt, darf bezweifelt werden. Langfristig dürfte der Deal Sun sogar teuer zu stehen kommen. Um die Kompatibilität zwischen Windows und Solaris zu gewährleisten, erhalten beide Partner Zugriff auf die technischen Interna der jeweiligen Systeme. Kurz gesagt: Sun erhält Zugriff auf Techniken, die es nie wollte, und muss dafür dem Erzrivalen genau das Server-Know-how für den Highend-Servermarkt zur Verfügung stellen, in den Microsoft schon seit der Freigabe von Windows NT im Jahre 1993 strebt.

Weit über seinen Schatten gesprungen ist McNealy bezüglich Java und .Net. Diese beiden Plattformen spalten seit rund sieben Jahren die Entwicklergemeinde. Hier stehen sich Plattformunabhängigkeit (Java) und das Prinzip „write once, run everywhere“ und Sprachunabhängigkeit (.Net) gegenüber. Dennoch ähneln sich beide Systeme in hohem Maße, denn Microsoft hat hier im Wesentlichen das Java-Konzept von Sun kopiert und an die eigenen Bedürfnisse angepasst. Entstanden ist eine Plattform, die – oft auf Kosten der Sicherheit – rasch performanter und manchmal auch eleganter funktionierte als das Vorbild. Mit dieser Strategie hat Microsoft Sun den eigentlich größten Triumph der Firmengeschichte zunichte gemacht. Denn eigentlich sollte Java nicht nur die Welt der Softwareentwicklung revolutionieren, was auch geschah, sondern darüber hinaus den Erfindern den Weg in den Softwaremarkt bahnen, was – auch aus hausgemachten Gründen – misslang. An Microsofts proprietären Erweiterungen für Java entzündete sich 1997 der Streit, der nun gegen eine Zahlung von 700 Millionen Dollar beigelegt wurde. Hat sich McNealy über den Tisch ziehen lassen? Brauchte das Unternehmen schlicht eine Geldspritze?

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3 Kommentare zu Microsoft und Sun: Befreiungsschlag oder Sonnenuntergang?

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  • Am 15. April 2004 um 19:21 von Hurricane

    Pakt mit dem Teufel!
    Also wer die taktiken die sun mit borland, netscape und auch sun versucht hat beobachtet hat der weiss eigentlich dass das ein riesenfehler von sun war.

    Mit dem umbauen und gratis verteilen einer nicht java-kompatiblen java-version haben m$ sie nicht kaputtgekriegt.
    Jetzt folgt halt plan b: Ein unvoteilhafter deal damit sun seine internas rausgibt, danach diese nutzen um sun im eigenen geschäft auszubooten.

    Die frage ist nur welcher trottel bei sun dafür verantwortlich ist bzw das unterschrieben hat. Sofort feuern sage ich!

    Ich meine den java-erfinder haben die sich ja schon geschnappt. Jetzt haben die sich warscheinlich ’n manager in die tasche gesteckt. (der nicht unbedingt rübergewechselt sein muss)

    Naja… ich hoffe wenigstens java bleibt mindestens so frei wie jetzt und verbreitet sich weiter.

    Ein gutes hat die open-source-bewegung ja: Es gibt keine firma die man angreifen kann. Auch die entwickler lassen sich nicht abwerben, weil sie das anwerben vom coden am "konkurrenzprodukt" niemals abhält.

    Die firmen können meinetwegen alle in arsch gehen. Brauchen eh mal ’ne neue wirtschaftsform…

    • Am 19. April 2004 um 12:25 von Rainer Herrmann

      AW: Pakt mit dem Teufel!
      Wenn ich das rchtig weiß macht ein Hurricane viel Wind und zerstört wahllos. Wie kann man nur so naiv sein und glauben, dass "klein und arm" grundsätzlich gut und "groß und erfolgreich" grundsätzlich schlecht ist. Die Arroganz der Leute, die Java buchstabieren können und dabei den normalen User vollkommen ignorieren geht mir schon die längste Zeit auf die Nerven. Ich habe außerhalb der IT noch nie so viele Leute erlebt, die grundsätzlich alles für schlecht halten was nicht von denen kommt, die 100% auf ihrer Wellenlänge liegen. Auch wenn sie selbst noch nie messbare Spuren hinterlassen haben, sind sie von ihren Meinungen und ihren Leistungen so überzeugt, dass sie total vergessen, dass 1. Menschen nie unfehlbar sind und 2. nicht alle solche fragwürdigen Genies sein können. Ich habe einige Installationen hinter mir und ich muss sagen, dass ich lieber mit den Problemen durch Microsoft lebe, als mit denen eines Betriebssystems, von dem es seit 30 Jahren heißt, dass es jetzt aber zum absoluten Erfolg wird – und dann ist wieder ein Bug in der Shell und wir kommen wieder zum heimeligen Spezialisten-Modus zurück.
      Ich finde, man muss die Kirche im Dorf lassen und das Maß an Arroganz etwas zurückschrauben.

  • Am 19. April 2004 um 12:06 von Rainer Herrmann

    Sun und Microsoft
    Man muss Microsoft ja nicht lieben und dass ihre Produkte zu komplex sind und damit voller Fehler ist eine Tatsache. Aber andere sind doch auch nicht besser! Sich an den Kleineren zu reiben, befriedigt aber das Ego bei Weitem nicht so gut. Keiner kann abstreiten, dass Microsoft erfolgreich ist und dass es – vielleicht die einzige – große Leistung von Gates und den Seinen war, im IT Markt Standards einzuführen und aufgrund des Erfolgs auch durchzusetzen. Erfolg bringt halt auch Neider und wenn man ihn schon selbst nicht oder nur wenig hat – wie Sun – dann verteufelt man die bösen Erfolgreichen denn man will trotzdem auch ein Stück vom Kuchen. Die Methode, das mit endlosen Klagen durchzusetzen, ist Erpressung! Das Motto heißt "Gibst du mir ein größeres Stück ab, dann gehe ich dir nicht mehr mit Klagen auf die Nerven!". So macht es so mancher – siehe der Verbrechernachlass von SCO – und natürlich sind Politiker vorne mit dabei – siehe EU-Kommission. Wegen eines Media-Players eine halbe Milliarde Euro kassieren zu wollen bestätigt voll meine Meinung. Mögen alle Neidhammel, Besserwisser und Querulanten in Zukunft ihre Energien auf konstruktive Arbeit konzentrieren, dann wird unsere Welt ein ganzes Stück leichter zu ertragen, denn Microsoft ist sicher ein kleineres Problem als diese Oberschlauen.

    rh

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