IT: Wichtiger und unwichtiger zugleich

"IT doesn't matter". Mit dieser Behauptung erschreckte vor knapp einem Jahr das angesehene Wirtschaftsmagazin Harvard Business Review die Computer-Branche. Auf den Autor prasselte ein Zahlengewitter nieder, dass Produktivitäts- und Umsatzsteigerungen aufgrund von IT belegen sollte.

Selbst erklärte Feinde wie Microsoft-Gründer Bill Gates und Sun-Chef Scott McNealy waren sich in der Ablehnung der These einig. In dieselbe Kerbe hieb, wer immer etwas in der IT-Branche zu sagen hatte. Wie nachhaltig der Artikel wirkt, zeigt, dass sich Autor Nicholas Carr noch Anfang März gegen die Vorwürfe des Ethernet-Pioniers Bob Metcalfe wehren musste. Und demnächst wird eine Umfrage des CIO-Forums unter dem Titel „IT ist (über)lebenswichtig“ gestartet.

An der Diskussion fällt vor allem auf, dass sich kaum Topmanager aus Anwenderunternehmen beteiligt haben. Der Grund: Dort wird schon seit eh und je geargwöhnt, dass IT vor allem kostet, aber eigentlich nichts bringt. In eben dieses Wespennest hat Carr gestochen. Daher die aufgeregte Reaktion der IT-Prominenz. Sie fühlen sich in ihren Geschäftsmodellen bedroht – und das gerade zu einem Zeitpunkt, an dem das Marketing ganz auf die geschäftlichen Bedürfnisse der Kunden abgestimmt wurde.

Tatsächlich scheint die IT-Branche in den Jahren der Krise einen tief greifenden Wandel vollzogen zu haben. Kaum ein Unternehmen spricht mehr von Produkten oder Lösungen. Glaubt man den Hochglanzbroschüren, dann geht es heute nur noch um die Unterstützung und Optimierung von Geschäftsprozessen. Wurde einst Outsourcing als Methode angepriesen, die unkontrollierbaren IT-Kosten durch feste Vertragssummen in den Griff zu bekommen, so hilft der Dienstleister heute die Kosten des Anwenders flexibel zu halten, muss Leistung erst bei Abruf (in vollem Umfang) bezahlt werden. Die Hersteller sprechen nicht mehr von Kunden, sondern von Partnern, deren Risiko man (gegen Gebühr) bereit sei mit zu tragen.

Der Wandel hinter den neuen Sprachregelungen für Vertrieb und Marketing liegt vor allem in der Zielgruppe. Seit die Krise den IT-Managern die Budgets entrissen hat, halten sich die Verkäufer an das Top-Management. Diesen Leuten muss IT-Investment mit betriebswirtschaftlichen Argumenten angedient werden: sparen, verdienen, Umsatz steigern, Prozesse optimieren etc.

Die neue Klientel hat Vor- und Nachteile. Insbesondere bekannte Anbieter profitieren davon, dass diese Firmenlenker relativ wenig von Technik verstehen und sich daher gern auf den guten Ruf des Anbieters verlassen. Hier kann gutes Marketing und die richtige Golf-Mitgliedschaft beim Pre-Sale viel ausrichten. Andererseits stellen Topmanager unangenehme Fragen, die man von Technikern nicht hört. Sie verlangen eine lückenlose Argumentationskette von der Investition zum Return on Investment. Um ihnen nach dem Mund zu reden, wurde das neue Vertriebs- und Marketing-Vokabular eingeführt. Deshalb werden technische Verfahren wie Backup, Recovery, Security-Tools und -Policies unter dem Begriff Business Continuity zusammengefasst.

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