Novells Linux-Verschwörung

Ernster zu nehmen sind die Befürchtungen, Novell könne das Open-Source-Betriebssystem durch proprietäre Ergänzungen verhunzen. War schon Suse dafür bekannt, die Distributionen um nicht offene Komponenten zu ergänzen, so wird sich der Bestand an herstellerspezifischen Funktionen durch Novell deutlich erhöhen. Nicht nur Analysten von IDC und Gartner Group sehen die zentrale Chance des Netzwerkspezialisten vor allem darin, Linux durch ausgereifte Netzwerk-Features zu einem für Unternehmen attraktiven Betriebssystem auszubauen. Damit erhält Linux einen Technologieschub, für den die Entwickler der Open-Source-Community noch Jahre bräuchten. Mit der Übernahme des Linux-Desktop-Spezialisten Ximian und Netware 6.5 ist das Unternehmen bereits wesentliche Schritte in Richtung Linux gegangen. Insofern sind die Zeitpläne glaubwürdig, die Novells Netzwerkdienste für Ende des Jahres unter der Bezeichnung „Nterprise Linux Services“ vorsehen sowie die Migration der Collaboration-Plattform „Groupwise“ für 2004. Mit diesem Pfund will das Unternehmen wuchern. Es steht allerdings nicht zu erwarten, dass der Netzwerkspezialist schon bald sein bislang proprietäres Tafelsilber im Sourcecode freigibt.

Anders als den Open-Source-Fans wird das den IT-Leitern vermutlich gleichgültig sein. Die meisten User suchen kostengünstige und einfach zu konfigurierende System-Software. Wenn der Quellcode offen liegt, freut das einige Techies in der IT-Abteilung, doch bereits ihr direkter Vorgesetzter wird Vorkehrungen getroffen haben, dass ja niemand im Betriebssystem-Kernel rumpfuscht. Er weiß, dass selbst die genialste Verbesserung später fast sicher zu Problemen führt. So lange der Preis stimmt, wird er sich für die bessere Funktion entscheiden – Open Source hin oder her.

Natürlich gibt es auch heute noch Anwender, die sich Linux kostenlos aus dem Netz laden und mit Freeware-Tools für ihre Bedürfnisse konfigurieren. Doch diese Gruppe gerät zunehmend in die Unterzahl. Dass sie – wirtschaftlich gesehen – zu einer Randgruppe wurden, signalisiert Suse-Konkurrent Red Hat, wenn er die Unterstützung für Privat-Kunden einstellt.

Aber nicht nur Novell hat durch Linux, die Chance bekommen, sich einen dicken Kuchen vom Open-Source-Markt abzuschneiden. Umgekehrt hat der Deal auch den Linux-Spezialisten Suse aus einer prekären Situation befreit. Bevor SCO entdeckte, dass Open Source dem Lizenzgeschäft schadet, sollte der einstige PC-Unix-Marktführer der Linux-Gemeinde (mit Ausnahme von Red Hat) seinen weltweiten Vertrieb zur Verfügung stellen. Diese wichtige Aufgabe kann nun Novell erfüllen. Novell und das IBM-Engagement stärken zudem das Vertrauen all jener Kunden, die darauf Wert legen, dass ihr Infrastrukturlieferant nicht schon morgen wieder vom Markt verschwindet.

Bleiben die Probleme von Novells sinkender Schar von Altanwendern. Sie müssen sich nun endgültig zugunsten des Internet Protokolls (IP) von dem schnelleren und stabilen SPX/IPX sowie von ihren für die Netware Loadable Modules (NLM) geschriebenen Applikationen verabschieden.

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