Frankfurts Chip-Desaster: Hintergründe und Details

Das ostdeutsche "Silicon Valley" steht vor dem Ruin - warum es so kam und was noch zu retten ist

Das ostdeutsche „Silicon Valley“ ist wie berichtet in höchster Gefahr: Die Pläne für eine hochmoderne Chipfabrik in Frankfurt an der Oder drohen an Finanzierungsproblemen zu scheitern. Die Hälfte der Gelder für das Milliardenprojekt ist noch nicht gesichert – und da für 650 Millionen Dollar (rund 635 Millionen Euro) Fremdfinanzierung bislang ergebnislos nach Investoren gesucht wird, will auch das Land Brandenburg vorerst kein weiteres Geld zuschießen. Das ehrgeizige Projekt bleibt vorerst virtuell – bis auf die 200 mal 85 Meter messende und 1,50 Meter massive Bodenplatte, der in Deutschland wohl sonst nur noch Bunkerbauten das Wasser reichen können.

Abbas Ourmazd kann die Aufregung über seine wirtschaftlich am seidenen Faden hängende Chipfabrik nicht verstehen. „Wir werden die Hände nicht in den Schoß legen und den Technologievorsprung sichern“, versprach der Vorstandschef der Communicant-Chipfabrik am Nachmittag bei der Jahrespressekonferenz des Unternehmens in Potsdam.

Eigentlich sollten nach ursprünglichen Planungen in Frankfurt an der Oder direkt neben der Autobahn kurz vor der polnischen Grenze schon längst die ersten Vorserienchips für die neuen UMTS-Handys vom Band purzeln. Weil die Chipfabrik seit Einigung der Investoren – der weltgrößte Chiphersteller Intel (Börse Frankfurt: INL), die Freihandelszone Dubai aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und Brandenburg – im März 2001 nicht recht vorankam, setzte Ourmazd im September eine Neuordnung des Finanzkonzepts durch. Potenzielle Geldgeber sollen mit der Aussicht zur Investition gelockt werden, an einem nach Unternehmensangaben mindestens zehn Jahre lang wettbewerbsfähigen Chip-Projekt süße Kapitalkirschen ernten zu können.

Allerdings schläft die Konkurrenz keineswegs, die mit Intel als Teilhaber auch in der Chipfabrik steckt. Intel hatte auf dem jüngsten Mikroprozessor-Expertenforum einen Chip als produktreif präsentiert, der nach dem Eingeständnis von Ourmazd auch mit Technologie aus Frankfurt an der Oder entwickelt worden sein soll. Damit ist es Intel deutlich schneller als Communicant gelungen, Innovationen aus Frankfurter Forschung marktreif zu machen.

Eine direkte Konkurrenz befürchtet Ourmazd allerdings nicht, denn Intel will vor allem sein Kerngeschäft der Mikroprozessoren mit Frankfurter Innovationen kommunikationsfähig machen. Communicant setzt hingegen mit Handys und verwandten preisgünstigen Consumer-Geräten auf ein anderes Marktsegment für stromsparende und leistungsfähige Chips. Die gegenseitige Technologienutzung ist seit März 2001 vereinbart. Allerdings zahlt Communicant für die potenzielle Nutzung von Intel-Lizenzen aus der Prozesstechnik der Chipherstellung 40 Millionen und sichert den Kaliforniern damit die Refinanzierung ihres Gesellschafteranteils.

Ob und wie weit Communicant die Intel-Lizenzen jemals nutzen kann, ist indes unsicher. Denn für die superkleinen Chips taugt die bislang an sehr viel größeren Chipstrukturen ausgerichtete Intel-Prozesstechnik nichts. „Wir müssen sie erst für unsere Zwecke anpassen“, sagt Ourmazd.

Derweil läuft dem Projekt, mit dem in Brandenburg entwickelte Hochtechnologie erstmals in Arbeitsplätze umgemünzt werden soll, die Zeit und zum Teil auch das Geld weg. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) siedelt die Erfolgschancen nur noch bei ungefähr 50 Prozent an. Er habe „eine ganze Menge Verständnis dafür“, dass angesichts der Probleme und Enttäuschungen „eine Situation entstanden ist, die besonders Zweifel nährt“, sagte er. Es gebe zu Recht Fragen nach Transparenz, Gründlichkeit und Professionalität. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will kein Geld mehr für die Chipfabrik bereitstellen, solange die privaten Investoren ihren Anteil bei der Finanzierung der Chipfabrik nicht vollständig vorweisen können. Ehe „weitere öffentliche Mittel in erheblichen Größenordnungen fließen“, müsse das Fremdkapital gesichert sein, betonte er.

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