Mega-Medienfusionen – von Anfang an zum Scheitern verurteilt?

Was immer die Zukunft für Unternehmen wie AOL Time Warner – das möglicherweise AOL verkaufen oder ausgliedern wird – und Vivendi – das in der Zeit nach Messier wohl große Sparten verkauft, um Schulden zurückzahlen zu können – bringen wird: Die Mediengiganten stehen unter extremem Druck.

Am 28. Juli erst wurde Thomas Middelhoff, Vorstandsvorsitzender des globalen Medienkonglomerats Bertelsmann, entlassen, nachdem es offenbar eine Auseinandersetzung mit den Hauptanteilseignern über die Unternehmensstrategie gegeben hatte. Bertelsmann ist in den Bereichen Verlagswesen, Fernsehen und Musik vertreten. Zu seinen Beteiligungen in den USA gehören Random House, Bertelsmann Music Group, Napster und mehrere Zeitschriften.

Die Umwälzungen der letzten Zeit machen eines klar: Die alten Medien geben zur Zeit den Ton an. „Synergie“ war vielleicht in Pressemitteilungen vor zwei Jahren absolut angesagt, doch heute ist es ein Geschäftskonzept, mit dem sparsam umgegangen werden sollte. „Ich habe die Fusion von AOL und Time Warner von Anfang an skeptisch betrachtet“, sagt Marketingprofessor Peter Fader. „Langfristig gesehen ist sie brillant“, doch die wechselseitige Befruchtung, auf die sie gesetzt haben, werde erst in der nächsten Generation erfolgen, in anderen Worten, „wenn die heute sechs- und siebenjährigen Kinder erwachsen sind und Breitband überall vorhanden ist.“

„Letztendlich ist die Verbindung von Inhalten und deren Übermittlung gut“, führt er an. AOL und Time Warner hatten eine funktionsfähige Idee, nur das Timing war sehr schlecht. „Sie sollten sich so schnell wie möglich wieder trennen. Vielleicht sollten sie in 15 Jahren wieder eine Fusion in Betracht ziehen, wenn AOL dann immer noch da ist.“ AOL ist zwar riesig, doch „keiner sieht das Unternehmen und sagt: ‚Wow, das ist Technologie, wie man es richtig macht‘. Sie sagen: ‚Das ist Technologie für Idioten‘, und unsere Kinder werden viel mehr wollen.“ Vor zwei Jahren, fügte er hinzu, „wurde AOL als das Wachstumsgeschäft überhaupt betrachtet, obwohl ein Großteil seines Marktpotenzials bereits gesättigt war. Es war klar, dass das Wachstum AOLs abflachen würde.“

Faulhaber zufolge verlor AOL sein Ziel aus den Augen, weil es fälschlicherweise versuchte, AOL und Time Warner-Inhalte „mit Gewalt zu vermitteln“. „Bei AOL geht es nicht darum, Inhalte durch das Kabel zu jagen; es geht um die Kommunikation unter Gleichen. Es ist eine Gemeinschaft. Beim Internet geht es um die Kommunikation unter Gleichen, anders als beim Fernsehen. Das Internet ist ein minderwertiger Verteilungsweg für Inhalte, viel schlechter als Kabel und Satellit.“ Was Breitband angeht, fügt Faulhaber hinzu, „ist von Breitband und einer ‚Killer-Anwendung‘ die Rede. Das ist völlig falsch. Die Auffassung, dass es mit Filmen vergleichbar wäre, ist falsch. Es geht hier nicht um einen Sender und viele Empfänger. Es geht um einen Sender und einen Empfänger.“

In ihrer Bilanz für das zweite Quartal 2002, die letzte Woche veröffentlicht wurde, berichtete das Unternehmen, dass alle Time Warner-Abteilungen Ergebnisse vermeldeten, die die Erwartungen erfüllt oder sie übertroffen hätten. Insgesamt stiegen die Erträge im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr um 10 % auf 10,6 Mrd. US Dollar, und der Cash Flow oder der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Amortisierung und Abschreibungen (EBITDA) stieg um 2 % auf 2,5 Mrd. US Dollar. Seine Film und Fernsehstudios und -netze erzielten besonders gute Ergebnisse. Die Filmunterhaltungsabteilung vermeldete einen Anstieg des Cash Flow um 31 % und eine Zunahme der Erträge um 26 %. Ein schwunghafter Absatz von Videofilmen wie „Harry Potter und der Stein der Weisen“ und Kassenschlagern wie „Der Herr der Ringe“ trug dazu bei.

Parsons erklärte den Wirtschaftsmedien letzte Woche, dass er an den Unternehmenszielen eines Anstiegs der Erträge im dritten Quartal im einstelligen Prozentbereich und eines gleich bleibenden oder nur leicht sinkenden Cash Flow festhalte. Für das gesamte Jahr erwartet AOL laut Parsons eine Zunahme der Erträge um fast 8 %, was am oberen Ende seiner vorherigen Voraussagen liege.

Alles in allem wurden die Ergebnisse jedoch durch die schlechte Leistung von America Online heruntergezogen, dessen Wiederbelebung Parsons als seine „oberste Priorität“ bezeichnet. Gegenüber dem Vorjahr fielen die Erträge von AOL um 3 % und sein Cash Flow um 27 %. Das Internetunternehmen vermeldete einen Rückgang seines Umsatzes um 31 % auf 501 Millionen US Dollar. Die Werbeeinnahmen fielen um mehr als 40 %, und es deutet wenig auf eine baldige Erholung hin.

Außerdem hat der Onlinedienst nur 492.000 neue Mitglieder zu verzeichnen, weniger als halb so viele wie im gleichen Quartal des Vorjahres. Sein Anteil am Onlinemarkt der USA fiel von 41 % vor zwei Jahren auf 37 %. Und im Breitbandbereich hinkt das Unternehmen mit weniger als 5 % des Marktes hinterher. Heute verfügen etwa 13 Millionen der 60 Millionen Haushalte in den USA mit Internetzugang über Verbindungen mit Breitband und hoher Geschwindigkeit. Die Annahme der Breitbandtechnologie durch die Verbraucher und das geringe Wachstum von AOL in diesem Bereich bietet Gelegenheiten für Konkurrenten wie Microsoft, Yahoo sowie Telefon- und Kabelgesellschaften.

Einige Analysten sagen, Parsons‘ beschwichtigende Bemerkungen würden von den Untersuchungen der SEC und der Schwäche von America Online überschattet. „Die Untersuchungen der Buchführung von AOL und der dramatische Rückgang beim Wachstum der AOL-Mitgliederzahl“ seien zwei sehr besorgniserregende Dinge, so Jordan Rohan, Analyst von Soundview Technologies, gegenüber der Washington Post.

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