Mega-Medienfusionen – von Anfang an zum Scheitern verurteilt?

Aktuell ist es AOL Time Warner, das als jüngstes Paradebeispiel für den Absturz von Mega-Unternehmen in den USA in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist.

Kürzlich, an dem Tag, an dem das weltweit größte Medienunternehmen seinen ersten Nettoquartalsgewinn seit dem Vollzug seiner Mega-Fusion vermeldete, kündigte die US-Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) an, sie ermittele gegen AOL Time Warner wegen fragwürdiger Buchführungspraktiken – wie schon in den Fällen Enron, WorldCom, Tyco und Adelphia. Die Untersuchungen der SEC wurden infolge von Artikeln in der Washington Post eingeleitet, in denen es geheißen hatte, AOL habe seine Erträge möglicherweise für einen zwei Jahre langen Zeitraum bis März diesen Jahres zu hoch dargestellt.

In der Woche davor akzeptierte der neue CEO Richard Parsons den Rücktritt des früheren MTV- und AOL-Wunderkinds Robert Pittman von dessen Posten als COO des Unternehmens. Parsons nahm eine Neuorganisation der Geschäftsführung vor und beförderte zwei angesehene Manager von Time Warner: Don Logan, CEO der Zeitschriftensparte Time, und Jeffrey Bewkes, CEO des Home Box Office. Pittman galt zuvor als Thronfolger des CEO, und jetzt wird spekuliert, dass er bei einem anderen Mediengiganten wie z.B. Disney landen könnte.

Seit dem Vollzug der Fusion von AOL und Time Warner im Januar 2001 fiel der Kurs der Aktie um mehr als 75 %. Als in der letzten Woche die Untersuchungen der SEC bekannt wurden, fiel er an einem Tag um 15 % auf 9,51 US Dollar, stieg seitdem jedoch wieder auf über 11 US Dollar. Auf dem Höhepunkt des Internet-Booms nutzte AOL seinen in die Höhe schnellenden Börsenkurs, um Time Warner aufzukaufen, ein alteingesessenes Medienunternehmen mit viermal so hohen Erträgen. Kürzlich haben jedoch einige Investoren und Analysten gefordert, dass Steve Case, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens und der Mann hinter der 165 Mrd. US Dollar-Fusion, seines Amtes enthoben werde.

Was steht AOL Time Warner also bevor?

„Die Fusion rückgängig zu machen, wäre eine Lösung“, sagt Gerald Faulhaber, Professor für Wirtschaft und Öffentliche Ordnung in Wharton und ein früher Kritiker der Fusion von AOL und Time Warner. „Sie müssen in sich gehen und sich fragen: ‚ Bieten wir immer noch ein überzeugendes Geschäftsmodell für Werbeagenturen, um die Menschen zu erreichen?'“

Die Fusion, fügt Faulhaber hinzu, war eine „große Ablenkung, nicht für Time Warner, aber für AOL, da es sein Ziel aus den Augen verloren hat.“ Der einzige möglicherweise positive Aspekt des Deals war, dass AOL „Zugang zu Breitbandleitungen“ erhalten würde “ … und das blieb erfolglos.“ Außerdem ist das Fehlschlagen der Fusion durch bittere Grabenkämpfe und einen Zusammenstoß der Kulturen zwischen den Abteilungen und Mitarbeitern von AOL und Time Warner verschärft worden.

„AOL Time Warner wird ganz eindeutig nicht überleben“, sagt Jehoshua Eliashberg, Marketingprofessor in Wharton. „Es handelt sich wirklich um verschiedene Kulturen, die aufeinanderprallen. Pittman musste zurücktreten. Es war wie der Versuch, Öl und Wasser zu vermischen. Die Art, wie AOL und Time Warner jeweils über das Geschäft denken, ist verschieden.“

Nachdem bei AOL Time Warner einst von magischen Synergieeffekten zwischen „neuen“ und „alten Medien“ und zwischen „Inhalten“ und deren „Übermittlung“ die Rede gewesen ist, wird jetzt in der Wirtschaftspresse viel und offen darüber spekuliert, wann das Unternehmen aufgespalten wird. Das könnte in der Tat das Schicksal von Vivendi Universal nach seinem Absturz unter dem umstrittenen CEO Jean-Marie Messier sein, der vor einigen Wochen aus seinem Amt gedrängt wurde.

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