Spionage und Werbung: Filesharing-Börse Kazaa

Der P2P-Dienst soll dem User bald individuelle Angebote und Content zuspielen / Kommerzielles "Altnet" wird in sechs Wochen live geschaltet

Die Filesharing-Börse Kazaa ist „in“. Der kostenlose P2P-Dienst wird weltweit von mehreren Millionen Usern genutzt, um Dateien jeder Art auszutauschen. Hinter dem Napster-Nachkommen Kazaa Media Desktop (KMD) steht Sharman Networks. Firmenchefin Nikki Hemming will den Dienst zu einem werbebasierten Bezahldienst wandeln und die User ausspionieren.

Hemming ist 35 und CEO von Sharman Networks. Im Januar kaufte ihr relativ unbekanntes Unternehmen den von der Musikindustrie geächteten Dienst Kazaa Media Desktop (KMD) auf. Im März gingen dann die Lichter beim größten P2P-Konkurrenten Morpheus aus und es wurde bekannt, dass die hinter dem Morpheus-Netzwerk stehende Firma Streamcast Networks genau auf seine Nutzer schaut. Die User wanderten zu Kazaa ab.

Anfang des Monats geriet der P2P-Dienst dann ins Rampenlicht: „Verdacht auf Spyware“. Sharman soll seine Client-Software KMD mit einem Schnüffeldienst der Firma Brilliant Digital Entertainment ausgestattet haben, um „überschüssige Rechenleistung“ der User zu nutzen. Gestern dann bestätigte Hemmings das heimliche Anzapfen der Kazaa-Gemeinde. Die Computer der User werden für ein kommerzielles P2P-Netzwerk namens „Altnet“ benutzt.

Die Firma Brilliant Digital Entertainment aus Kalifornien hatte von den Nutzern weitgehend unbemerkt eine P2P-Software namens „Altnet Secureinstall“ an die Tauschssoftware von Kazaa angehängt. Seit dem vergangenen Herbst wird die 3D-Werbesoftware von Brilliant mit auf Millionen Rechnern weltweit geladen – und damit auch die Distributed Computing-Software der Firma.

Bis dato lehnte Hemming immer wieder Interviews ab. Jetzt sprach sie jedoch exklusiv mit dem CNET/ZDNet über ihre Pläne mit Kazaa.

CNET: Was hat Sie veranlasst Kazaa zu kaufen? Wie sehen Ihre Pläne mit Sharman aus?
Hemming: Ich besitze eine zehnjährige Erfahrung im Consumer Electronics-Bereich, habe für Firmen wie Viacom und Virgin Interactive gearbeitet. Die Gelegenheit wurde mir durch Brilliant Digital Entertainment CEO Kevin Bermeister gegeben, den ich schon eine ganze Weile kenne. Für Kazaa BV war es zu der Zeit (aufgrund der gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Musikindustrie) eine ziemlich schwierige Situation und meine Investoren haben nach einer Möglichkeit gesucht, ins Internet-Business einzusteigen.

CNET: So wurde Sharman urspünglich für den Kauf von Kazaa gegründet?
Hemming: Ja, das Unternehmen wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, in Internet-Modelle zu investieren. Das ist der erste Deal von einer Reihe, die folgen werden.

CNET: Können Sie uns sagen, wer Ihre Investoren sind?
Hemming: Unsere Investoren sind nicht eitel. Unsere Abmachung lautet: Wir werfen Erfahrung und Fähigkeiten zusammen, um das Geschäft voran zu bringen und sie geben das nötige Kaptial dazu. Es handelt sich hier um Privatpersonen, die ihre persönlichen Interessen nicht veröffentlicht sehen wollen.

CNET: Konnten Sie sich legal vorher absichern, bevor Sie Kazaa übernommen haben?
Hemming: Bisher gibt es keinen Prozess gegen Sharman Networks irgendwo in der Welt. Und sicherlich sind wir sehr froh, dass im März das holländische Gericht entschieden hat, dass die Software KMD und der Weg wie das Programm arbeitet, in keiner Weise ein Urheberrecht verletzt. Ja, es ist ein risikoreiches System. Ich denke es ist eine Art Reality Check für ein neues Paradigma. Wenn man an der Front als Motor einer technologischen Veränderung arbeitet, das Benutzerverhalten und kommerzielle Modelle umwandelt, dann gibt es immer eigene Risiken. Das ist es, was mich an der ganzen Sache so reizt.

CNET: Sharman Networks ist als Firma nicht in Australien gelistet. Wo ist Ihr Hauptsitz?
Hemming: Ja, sie haben recht. Der Hauptsitz von Sharman Networks ist auf der südpazifischen Insel Vanuatu registriert. Wir sitzen dort mit anderen besonnen Investoren der Multimedia Welt, weil es steuerrechtliche Vorteile gibt.

CNET: Hatten Sie schon Kontakt mit der australischen oder US-Industrie wegen Urheberrecht?
Hemming: Bisher gab es keinen Kontakt. Als wir Kazaa übernommen haben, haben wir sofort einen US-Lobbyisten ernannt, der mit einer Reihe von Leuten in der Industrie spricht. Sharman Networks ist eigentlich der erste Software-Hersteller, der einen Schritt vorwärts macht und P2P kommerzialisiert. Wir stehen in Verhandlungen mit ISPs, mit Hardware-Herstellern und Gruppen, die Musiker vertreten.

CNET: In Ihren Nutzungsbedingungen ist die Rede von möglichen Abogebühren. Wie sieht es dort mit Ihren Plänen aus?
Hemming: In den Nutzungsbedingungen von Kazaa BV waren sehr ähnliche Passagen enthalten. Kazaa ist eine kostenlose Software, und das kommerzielle Modell funktioniert sehr gut für uns auf diese Weise. Unsere Einnahmen kommen aus der Werbung und das Modell läuft sehr gut.

CNET: Wie denken Sie über das Nebenprodukt Altnet? Es ist etwas, dass die User sehr verunsichert und stört.
Hemming: Ich denke der Web-Gemeinde geht es dabei hauptsächlich um ihre Privatsphäre. Doch diese Angst besteht nicht erst seit P2P, sondern generell mit dem Internet. Wir nehmen die Privatsphäre der User sehr ernst. Eines der großen Themen, die mich in der letzten zeit so beschäftigt haben. Kazaa macht seine Arbeit weiter. Altnet muss seine eigenen Beziehungen zu den Verbrauchern aufbauen und das Vertrauen dieser Leute gewinnen.

Hemmings zufolge ist das Altnet noch gar nicht aktiv. Das soll erst in den nächsten sechs Wochen live geschaltet werden. Doch für einen Bezahldienst scheinen die Weichen gestellt. So wurde vor kurzem ein Vertrag mit der Online-Werbefirma Doubleclick unterzeichnet, die im Verdacht steht, die Usergewohnheiten auszuspionieren. Hauptpartner für die Werbungsvermarktung und die kommerziellen Strategien wird Brilliant Digital Entertainment. Die Firma hat bereits die Software geliefert, durch die der Kazaa-User bald nicht nur individuelle Werbung, sondern auch andere Inhalte geschickt bekommen soll, so Hemming weiter in dem Interview. Auch Informationen über den User werden dabei gesammelt.

Ein findiger Programmierer war so verärgert über die sogenannte Spyware in Kazaa, dass er kurzentschlossen die Software umschrieb. Seitdem kursiert im Web eine 1,17 MByte große Lite-Version des Filesharing-Clients. Mp3-World.net hält eine deutsche Fassung des Programms bereit. Die Software nutze das Fasttrack-Netzwerk enthalte jedoch keine Spyware. ZDNet bietet die Software zum kostenlosen Download an.

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1 Kommentar zu Spionage und Werbung: Filesharing-Börse Kazaa

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  • Am 14. Mai 2002 um 12:27 von Börsenfeger

    KaZaa lite deutsch
    Hey, Leute!

    Ich kann jedem nur empfehlen, Kazaa lite einzusetzen. Wer Adaware nutzt, muß die Datei cd_clint.dll vom Löschen ausnehmen. Das ist die Dummy.dll, ohne die Kazaa lite nicht läuft. Ich finde es großartig, das sich der User die Mühe gemacht hat und Kazaa umprogrammiert hat.

    Gruß

    Börsenfeger

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