Streit um Linux im Bundestag setzt sich fort

Glaubensbekenntnisse der Computerfraktion

Die SPD-Bundestagsfraktion schwört darauf. Die grüne Bundestagsabgeordnete Grietje Bettin hat ihre Homepage damit eingerichtet. Und vielleicht laufen bald alle 5000 Bundestags-Computer mit ihm. Die Rede ist vom Betriebssystem Linux. Für viele ist Linux nicht nur die preiswertere Alternative zur Software des Quasi-Monopolisten Microsoft. Mit seiner basisdemokratischen Struktur hat sich das Betriebssystem längst als Liebling kritischer Computerfreaks etabliert – und auch das Herz so manches Parlamentariers erobert.

Für die meisten Volksvertreter im Bundestag gilt das Computer-Motto: „Hauptsache, er läuft“. Die parteiübergreifende Linux-Fraktion tut dagegen alles für einen Neuanfang. Die Gelegenheit ist günstig: Ende des Jahres läuft die technische Unterstützung von Microsoft (Börse Frankfurt: MSF) für das Windows-NT-Betriebssystem aus. Wer seine Microsoft-Programme dann auf dem neuesten Stand halten will, muss auf Windows 2000 oder XP umstellen – zwei Systeme, die mit den Vorgänger-Programmen nicht oder nur begrenzt kompatibel sind. Der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss ist die Speerspitze der Linux-Verteidiger. Schon wird ihm nachgesagt, er wolle aus dem Bundestag eine „Microsoft-freie Zone“ machen.

Doch Tauss hält die Alternative schlichtweg für sparsamer und effizienter. Das kostenlose Stück Software kann einfach aus dem Internet heruntergeladen werden. Zahlreiche Kommunal- und Länderverwaltungen sparen bereits auf diese Weise teure Lizenzgebühren. Die Gemeinde Remseck im Rhein-Neckar-Kreis wählte Linux wegen seiner Standhaftigkeit, sagt Verwaltungsmitarbeiter Lothar Barth. „Die Programme stürzen nicht so leicht ab“, ist seine Erfahrung. „Die Programme brauchen weniger Speicherplatz“, betont SPD-Mann Uwe Küster, Mitglied im Ältestenrat. Gerade im Bundestagsalltag sei das wichtig. „Die SPD-Bundestagsfraktion setzt bereits seit 1995 Open-Source-Software erfolgreich zusammen mit Microsoft-Produkten ein“, sagt Küster.

Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, ist vor allem von der basisdemokratischen Idee von Open-Source-Systemen wie Linux fasziniert. Jeder Anwender kann kann Verbesserungsvorschläge machen. Der Blick hinter die Benutzeroberfläche steht jedem offen, denn der Quellcode des Programms – sozusagen seine Bauanleitung – ist kein Geheimnis. Wer programmieren kann, darf eigenmächtig Veränderungen vornehmen. Unter dem Druck der Konkurrenz spielt nun auch Microsoft zunehmend mit offenen Quellcodes. Tauss sieht darin eine PR-Kampagne, mit der den Linux-Befürwortern der Wind aus den segeln genommen werden soll.

Kurt Sibold, Vorsitzender der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland, appellierte in einem offenen Brief an einige Parlamentarier, sich nicht von der Linux-Lobby blenden zu lassen (ZDNet berichtete). Eine Entscheidung für Linux im Bundestag könnte eine symbolische Wirkung haben: Die Förderung von kleinen und mittleren Software-Herstellern und die Zerschlagung des Microsoft-Monopols. Gerade das wollen viele Abgeordnete erreichen. Der Bundestag müsse ein positives Beispiel abgeben, meint Bettin. Andere Abgeordnete fürchten jedoch den Vorwurf der Parteilichkeit.

Der Ältestenrat, der das letzte Wort bei der Entscheidung hat, lässt sich nicht in die Karten schauen: „Wir haben ganz neutral mehrere Betriebssysteme verglichen“, sagt Küster. Unter dem Vorsitz des Sozialdemokraten befasst sich am 28. Februar eine Kommission mit den Ergebnissen eines unabhängigen Gutachtens und legt dem Ältestenrat eine Empfehlung vor. Mit einer Entscheidung wird Mitte März gerechnet. „Es wird wohl ein Kompromiss dabei rauskommen“, sagt Bettin. Aber auch das sei schon ein erster Erfolg.

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