Europas Telefonmarkt soll bis 2003 voll liberalisiert sein

EU verabschiedet neue Richtlinien / EU-Länder haben noch Zeit, Regeln umzusetzen

Der Telekom-Markt in der Europäischen Union (EU) soll bis spätestens Frühjahr 2003 vollständig liberalisiert und damit verbraucherfreundlicher werden. Darauf zielen fünf Richtlinien ab, die am Mittwoch vom Europaparlament in zweiter Lesung verabschiedet wurden.

Das gesamte Paket geht nun zurück an den EU-Ministerrat, der die Texte nach Angaben aus Kommissionskreisen vermutlich noch bis Anfang kommenden Jahres absegnen dürfte. Anschließend haben die EU-Länder 15 Monate Zeit, um die Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Das Paket schließe die vor zwölf Jahren begonnene Liberalisierung der Telekommunikationsdienste in der EU ab, betonte eine der Berichterstatterinnen, die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler.

Die neuen Gesetze würden die „letzten Bastionen der Monopolisten“ aufbrechen. Den Verbrauchern sollten sie „möglichst günstige Tarife“ und den Anbietern einen fairen Telekommunikationsmarkt gewährleisten. Die Branche werde dadurch einen „Riesenpush“ erhalten, Verbraucher könnten mit neuen Angeboten rechnen. Mit deutlichen Preissenkungen ist nach Einschätzung der CSU-Abgeordneten vor allem bei Gesprächen per Handy ins Ausland sowie zwischen mobilen und Festnetzen zu rechnen.

Um in der EU einen gemeinsamen Telekom-Markt zu schaffen, sollen laut einer Rahmenrichtlinie die geografischen und technischen Märkte nach einheitlichen Kriterien definiert werden. Vorgesehen ist auch eine allgemeingültige Definition für Unternehmen mit „beträchtlicher Marktmacht“, denen bestimmte Auflagen – etwa für die Tarife und den Zugang zu Netzen – gemacht werden können. Diesbezügliche Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörden können von der EU-Kommission überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden. „Brüssel soll hier ein Veto-Recht bekommen“, erläuterte Niebler.

Spezielle Richtlinien regeln unter anderem Einzelheiten über die Vergabe von Frequenzen, die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für Netzbetreiber und Anbieter von Telekom-Diensten sowie den Zugang zu diesen Netzen. So sollen die Genehmigungsverfahren für die Nutzungsrechte von Frequenzen vereinfacht und harmonisiert werden. Durch erleichterten Zugang von Anbietern zu den Kommunikationsnetzen soll den Verbrauchern eine größere Auswahlmöglichkeit geboten werden. Einem Bericht der EU-Kommission zufolge können die Kunden bisher nur in sechs der 15 EU-Staaten bei Ortsgesprächen zwischen mehr als fünf Betreibern wählen.

Bei Ferngesprächen ist dies in zwölf EU-Ländern der Fall. Eine Richtlinie garantiert „Universaldienste“, etwa den Zugang zu Not- und Auskunftsdiensten am Telefon oder die Versorgung mit öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen. Nicht durchsetzen konnte sich das Parlament dagegen mit seiner Forderung nach EU-einheitlichen technischen Standards für digitales Fernsehen. Damit wollten die Abgeordneten erreichen, dass so genannte D-Boxen für das digitale Fernsehen in der ganzen EU benutzt werden können. Hier habe es im Rat Widerstand einiger Länder gegeben, die ihre Unternehmen schützen wollten, kritisierte Niebler.

Voraussichtlich im Frühjahr wird das Parlament über eine Datenschutz-Richtlinie beraten, die das Paket ergänzen soll. Ihr Ziel ist es, Handy- und Internetbenutzer beispielsweise vor unerwünschter Werbung zu schützen. Die EU-Kommission bezifferte in ihrem Ende Oktober veröffentlichten Bericht das Volumen der Telekommunikationsmärkte in der EU für das zu Ende gehende Jahr auf 218 Milliarden Euro (über 426 Milliarden Mark), was gegenüber 2000 einem Zuwachs von 9,5 Prozent entspricht.

Das schnellste Wachstum wurde erneut im Bereich Mobilfunk zu verzeichnen. In diesem Segment wird für das laufende Jahr bei den Einnahmen ein Plus von 22,3 Prozent erwartet, die Zahl der Teilnehmer dürfte gegenüber 2000 um 36 Prozent steigen.

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