Vint Cerf: Warum Weltraum-Roboter Online sein sollten

Der "Vater des Internet" verteidigt seine Idee des interplanetaren Web

Der oft als „Vater des Internet“ titulierte Vint Cerf wird für seine Idee der Internet-Anbindung zwischen verschiedenen Planeten oft als Phantast angesehen. In einem Interview mit ZDNet erklärte der Senior Vize President von Worldcom, warum er trotz aller Anfeindungen an seine Idee glaubt.

ZDNet: Können Sie uns ein wenig mehr über Ihre Idee erzählen, das Internet ins Weltall auszudehnen, beziehungsweise das Netz neu aufzubauen, so dass es die Bedürfnisse der Wissenschaftler bei der Erforschung fremder Planten unterstützt?

Cerf: Auf der Erdoberfläche arbeitet das Internet ganz gut… und es sollte ebenso gut auf der Oberfläche weiterer Planeten oder Satelliten arbeiten. Oder auch bei der Anwendung mit Raumfahrzeugen da draußen im Sonnensystem. Die Grundlage des Internet Protokolls wird in den verschiedenen Bereichen des Alls perfekt funktionieren. Das einzige Problem bei der interplanetaren Kommunikation ist: Wie bringe ich die Informationen von einem Planeten zum anderen? Aufgrund der astronomischen Entfernungen erhält man signifikante Verspätungen. Man kriegt verschiedene Probleme mit Fehlerraten. Die Daten können beim Senden und Empfangen voneinander abweichen. All diese Aspekte haben uns dazu gebracht, eine Reihe neuer Protokolle zu entwickeln, zusätzlich zu denen, die wir normalerweise benutzen. Diese Tools sollen auch für den Datenaustausch zwischen den Planeten geeignet sein. Das also habe ich in den letzten … fast drei Jahren mit den Ingenieuren der Jet Propulsion Labs entwickelt.

ZDNet: Welchen Nutzen haben wir davon, wenn das Internet nicht nur auf der Oberfläche verschiedener Planeten benutzt werden kann, sondern auch zwischen den Sternen? Welchen Bedarf gibt es da?

Cerf: Da haben Sie wohl noch nicht mit meinen Freunden, den Marsianern gesprochen (lacht). Tatsache ist, wir haben zahlreiche Roboter da draußen. Aber nicht unbedingt Gebilde mit Beinen, die herumkriechen. Nein, im All sind momentan viele Raumfahrzeuge mit Sensoren. Diese müssen ihre Daten an uns rückmelden, so dass wir analysieren können, was wir entdeckt haben. Das ist einer der Gründe, warum wir eine standardisierte Protokoll-Architektur für die interplanetare Kommunikation entwickeln wollen. Wenn also so eine Sonde entweder auf der Oberfläche eines fremden Planeten landet oder Daten an einen Satelliten senden will, hätten wir eine Architektur, die diese interplanetaren Übertragungen unterstützt.

Wir betrachten diese Entwicklung unter dem Blickwinkel der Kommunikation mit Robotern, Sensoren und der Analyse der von ihnen gelieferten Daten. Langfristig gesehen… 2018 und später gibt es die realistische Chance, dass es bemannte Missionen in den Orbit über den Mond hinaus gibt. Aber das war nicht unser eigentlicher Beweggrund. In erster Linie ging es um die Unterstützung bei der Erforschung des Weltalls mit kleinen Raumsonden.

ZDNet: Als Sie TCP/IP erfunden haben, und damit im Endeffekt das geschaffen haben, was wir als das Internet kennen, haben Sie schätzungsweise nicht an die Weltraumforschung gedacht. Was sonst noch hat Sie bei der jüngsten Entwicklung überrascht?

Cerf: Natürlich bin ich von diesen Internet-fähigen Geräten fasziniert. So Sachen wie der Kühlschrank, der sich ins Web einwählen kann oder ein Scanner, der Barcodes erkennt, solche Dinge. Also haben Sie jetzt einen Kühlschrank, der seinen Inhalt kennt und online ist. Wenn Sie nach Hause kommen, hat er sich Rezepte heruntergeladen, die auf den Zutaten in seinem Inneren basieren.

Oder schlimmer, Sie haben eine Internet-fähige Waage, die Ihr Gewicht an Ihren Arzt sendet und in ihrer Akte abspeichert. Und eines Tages hat der Kühlschrank Diät-Rezepte aus dem Netz geholt, weil er denkt Sie sind zu dick geworden.

Der neueste Alptraum sind diese Nano-Maschinen. Damit bauen die Leute Internet-fähige Radio-Empfänger, die sie in Ihren Kleidern anbringen. Irgendwann werden Sie den Inhalt Ihrer Socken-Schublade abfragen und die Rückmeldung erhalten: „Socken-Schublade enthält 17 Sockenpaare und drei einzelne Socken. Socke Nummer 114327L fehlt“. Also schicken Sie eine Suchanfrage durchs Haus und irgendwann wird sich Socke Nummer 114327L melden: „Bin auf der Höhe und der Breite hinter dem Sofa.“ Da haben Sie eine Möglichkeit, das Problem der verlorenen Socken zu lösen. Ich dachte, das sei cool.

ZDNet: Aber es wird auch noch andere Anwendungen geben, oder?

Cerf: Ja, ich denke, wir werden wirklich Milliarden Internet-fähiger Geräte haben. Auf meinem Tisch steht schon heute so ein Ding. Es ist ein Bilderrahmen, der sich mit dem Internet verbinden kann. Der ist an die Telefonleitung angeschlossen, wählt sich auf eine vorbestimmte Web-Site ein und lädt sich zehn Bilder herunter, die ich vorher ausgewählt habe, und zeigt sie nacheinander an. Sowas ist für Großeltern hervorragend. Das ist heute schon eine vernünftige Anwendung und kostet um die 200 Dollar.

ZDNet: In den vergangenen beiden Jahren haben wir so viele von diesen Anwendungen kommen und gehen sehen, vor allem im Dotcom-Business.

Cerf: Die Dotcom-Bombe. Ja.

ZDNet: Welche Perspektive sehen Sie da? Sie gelten ja eher als Wissenschaftler denn als Geschäftsmann.

Cerf: Ich sage natürlich nicht, dass ich viel davon verstehe, ein Geschäft zu führen. Aber ich habe eine Meinung dazu. Eigentlich sind es zwei. Einerseits glaube ich, dass die meisten neuen Unternehmen fehlschlagen. Das hat wenig mit Dotcom zu tun. Eher damit, dass das Geschäftsmodell nicht so funktioniert, wie sich das der Gründer vorgestellt hat. Aber momentan stehen viele dieser Firmen im Rampenlicht, weil sie vor kurzem gescheitert sind, im Zusammenhang mit dem Internet stehen und wir unser Augenmerk auf dieses spezielle Marktsegment gerichtet hatten.

ZDNet: Die Dotcoms wurden oftmals auch auf einem viel prominenteren Level als ein normaler Laden gegründet.

Cerf: Das ist in vielen Fällen sicher zutreffend. Sie waren also viel präsenter als normale Start-Ups. Und dadurch wird ihr Scheitern auch spektakulärer. Aber ich vergleiche dieses Geschehen immer mit einem Buschfeuer: Früher haben wir immer gedacht, ein Waldbrand sei etwas negatives und wir versuchten sehr angestrengt, es zu verhindern. Aber irgendwann haben die Ökologen uns gesagt: „Moment mal. Eigentlich sind Waldbrände ganz gut.“ Ich meine nicht, dass eine große Anzahl davon gut ist, sondern dass viele davon in Ordnung sind, weil sie das Gestrüpp wegbrennen, und die abgestorbenen Bäume. Sie schaffen neuen Nährboden für erneutes Wachstum.

Sowas könnte auch in der Internet-Welt geschehen. Viele von diesen eigentlich toten Geschäftsideen sind in Flammen aufgegangen und wurden weggeweht, aber sie lassen Raum für neues Kapitalwachstum und Investitionen in gesunde Firmen.

Einerseits ist das ganze sehr schmerzvoll und viele Leute werden verletzt. Aber wahrscheinlich ist es ganz gesund, damit sich die Leute auf einen gesunden Business-Plan konzentrieren, ihn weiterentwickeln und das Geld dafür auftreiben.

ZDNet: Haben Sie selbst auch Geld verloren?

Cerf: Wie viele andere Leute habe ich auf dem Papier ein paar Verluste, aber ich stürze mich deshalb nicht aus dem zwölften Stock oder so. Vor allem hat der Markt immer Hoch und Tiefs gehabt. Während der 40 Jahre, die ich investiert habe, war die Rendite immer relativ stabil zwischen acht und zwölf Prozent. Und das ist nicht schlecht. Damit kann man leben.

Also, obwohl diese Konjunkturphase sehr schmerzhaft war und bei weitem noch nicht vorbei ist, wird sie eines Tages passé sein. Genauso wie viele andere Krisen auf dem Markt. Ich bin nicht im geringsten entmutigt. Das ist eine gute, solide Dosis Realität.

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