Datenschutz: Juristen rügen Bundesregierung

Zahl der Überwachungen sei um 270 Prozent gestiegen / Neue Verordnung räume verfassungsrechtlichen Bedenken nicht aus

Rechtswissenschaftler der Universität Münster haben heute massive Kritik am Entwurf einer Verordnung zur Überwachung der Telekommunikation geübt. Der vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt Entwurf, der in Kürze dem Bundeskabinett in Berlin zugeleitet werden soll, sei nicht geeignet, die mehrjährige Kontroverse um die staatliche Überwachung der gesamten modernen elektronischen Kommunikation zu beenden. Im Gegenteil: Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die bereits gegen den alten Verordnungsentwurf aus dem Jahr 1998 sprachen, bestünden weiter.

Bei einem Symposium zum Thema „Innere Sicherheit auf Kosten von Netzbürgern und Providern?“ wiesen die münsterschen Jura-Professoren Ursula Nelles, Bernd Holznagel und Jürgen Welp darauf hin, dass die Zahl der Überwachungsanordnungen im Bereich der Telekommunikation in den vergangenen fünf Jahren um 270 Prozent gestiegen sei. Wenn die im Entwurf vorliegende „Telekommunikations-Überwachungsverordnung“ in Kraft trete, sei mit einem weiteren Anstieg zu rechnen, ohne dass die Effizienz der Überwachungsmaßnahmen bis heute geklärt sei. Mit der Verordnung werde eine technische Infrastruktur geschaffen, die jederzeit eine umfassende Überwachung des Internet-Verkehrs möglich mache.

Kritisiert wurde auf der Tagung in Münster auch, dass die erheblichen Kosten für die elektronische Überwachung auf die Provider abgewälzt werden soll. In den Niederlanden, wo die Zugangsanbieter zum Netz bereits zur Anschaffung von teuren Überwachungsgeräten gezwungen worden seien, rechne der dortige Branchenverband mit dem Konkurs von einem Drittel der Provider als Folge der zusätzlichen Kostenbelastungen.

Unterstützung bekommen die münsterschen Rechtswissenschaftler von der Konferenz der Datenschutzbauftragten des Bundes und der Länder. Wie die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Nordrhein-Westfalen, Bettina Sokol, auf der Tagung in Münster berichtete, fordern die Datenschutzbeauftragten die Zurückstellung der umstrittenen Verordnung, bis die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung über die Effektivität von Überwachungsmaßnahmen im Bereich der Telekommunikation vorliegen.

Kontakt:
Universität Münster, Tel.: 0251/830 (günstigsten Tarif anzeigen)

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