Napster bietet eine Milliarde Dollar

Monatliche Abo-Gebühr wird zwischen drei und zehn Dollar liegen / Verband der Plattenfirmen reagiert bisher ablehnend auf Offerte

Vertreter von Napster haben der Musikindustrie eine Milliarde Dollar für das Recht angeboten, innerhalb der nächsten fünf Jahre urheberrechtlich geschützte Musik über ihren Dienst tauschen zu dürfen. Manager von Napster und Bertelsmann appellierten während einer Pressekonferenz in San Francisco an die klageführenden Plattenfirmen, die für Napster existenzbedrohenden Rechtsstreitigkeiten einzustellen. So sagten sie, den Kampf weiterzuführen würde im Endeffekt nur die Interessen aller Beteiligten verletzten.

„Wir sind der Meinung, dieser Gemeinschaft sollte es erlaubt sein, zusammenzubleiben“, sagte Napsters Interim-Chef Hank Barry. „Wir sollten uns zusammensetzen und diese Dinge klären.“ Der Geschäftsführer von Bertelsmanns E-Commerce-Einheit, Andreas Schmidt, erklärte, man habe die vier Plattenfirmen über die Offerte informiert. Bisherige Angebote basierten anteilig an Napsters Umsatz und waren immer zurückgewiesen worden. Im Detail bietet Napster 150 Millionen Dollar pro Jahr für jedes der fünf großen Plattenlabels. 50 Millionen Dollar jährlich sollen sich die Independent-Labels teilen. Die Unternehmen wären bei diesem vorgeschlagenen Modell dafür verantwortlich, das Geld anteilig an die vertraglich an sie gebundenen Künstler weiterzuleiten.

Die 200 Millionen Dollar jährlich sollen durch die Abo-Gebühr erwirtschaftet werden, die voraussichtlich ab Juli für die Nutzung von Napster fällig wird. Zudem will Napster weitere Einnahmequellen erschließen. Erstmals gab Hank Barry auch einen ersten Überblick über die Größenordnung der Gebühren: So soll eine begrenzte Anzahl von Downloads zwischen 2,95 und 4,95 Dollar im Monat kosten. Unbegrenzt viele Musiktitel könnten dagegen für eine Gebühr zwischen 5,95 und 9,95 Dollar mit anderen Napster-Usern getauscht werden. Nach einer laut Barry „geordneten Übergangsphase“ soll der Gratis-Tausch eingestellt werden.

Das jetzt vorgelegte Angebot enthält keine Entschädigungszahlungen für bereits begangene Verletzungen des Urheberrechts. Vertreter von Bertelsmann und Napster erklärten dazu, man wolle die Offerte als Zeichen des guten Willens verstanden wissen, um die anderen Plattenfirmen an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Dadurch soll eine vorübergehende Waffenruhe erreicht werden, die Napster den Fortbestand erlaubt.

Allerdings zeigt sich die Gegenseite bisher wenig versöhnlich. So veröffentlichte die Vorsitzende der Recording Industry Association of America (RIAA), Hilary Rosen, unmittelbar vor der Bekanntgabe des Napster-Vorschlags eine Stellungnahme, in der sie den Dienst dazu aufforderte, den Tausch von urheberrechtlich geschützter Musik auf der Stelle zu stoppen. „Ich sage es dem Management von Napster noch einmal: Sie behaupten, sie wollen gesetzlich anerkannt sein und über Lizenzen verhandeln, die auf reellen Geschäftsmodellen basieren“, so Rosen. „Ich bitte sie dringend, sich auch dementsprechend zu benehmen. Stoppen sie die Rechtsverletzungen, hören Sie mit Ihren juristischen Verzögerungstaktiken auf und verdoppeln Sie ihre Anstrengungen, ein rechtlich einwandfreies System aufzubauen.“

Napster bemüht sich nach einem Gerichtsurteil am vergangenen Montag um Schadensbegrenzung. Der Richterspruch bedroht den vollen Funktionsumfang des Musiktauschservices. Ein Bundesgericht befand, dass Napster für bereits begangene Urheberrechtsverletzungen seiner Mitglieder verantwortlich ist und wies ein niedrigeres Gericht an, ein früher ergangenes Urteil zu modifizieren. Demnach dürften urheberrechtlich geschützte Musiktitel nicht mehr über Napsters Service getauscht werden.

Der eigens zur Napster-Pressekonferenz angereiste Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff sagte, sein Unternehmen und Napster hätten seit 18. Dezember versucht, über einen gerichtlich bestellten Mediator eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Doch die RIAA habe in einem Brief an das zuständige Gericht um die Beendigung dieses Vermittlungsprozesses gebeten. Bis Redaktionsschluss konnte kein RIAA-Vertreter erreicht werden, um diese Aussage zu bestätigen.

Hank Barry stellte auch weitere Details über das von der Bertelsmann-Tochter Digital World Services entwickelte Kopierschutz-System vor. So soll verhindert werden, dass die MP3s auf CDs gebrannt werden oder auf Geräte wie mobile MP3-Player aufgespielt werden. Gegen einen monatlichen Aufpreis soll das aber möglich werden, so Barry.

Bertelsmann veröffentlichte auch interne Zahlenspiele: Blieben von den aktuell 64 Millionen registrierten Nutzern noch zwei Millionen zahlende User übrig, die jeweils 4,95 Dollar pro Monat abgeben, würden die so erzielten 119 Millionen Dollar pro Jahr einen Großteil der den Plattenfirmen versprochenen 200 Millionen Dollar ausmachen. Könnte der Kundenkreis auf 14 Millionen zahlender Abonnenten erweitert werden, rechnet Bertelsmann mit 832 Millionen Dollar Umsatz im Jahr.

Zwar ist noch unklar, wie viele Nutzer tatsächlich die Umstellung auf einen kostenpflichtigen Kanal mitmachen, doch jüngste Umfragen von Webnoize und Harris Interactive kommen unabhängig voneinander auf Zahlen um die 70 Prozent Napster-User, die für die weitere Nutzung des Dienstes zahlen wollen. Allerdings könnten sich diese Zahlen ändern, wenn weniger Surfer bei Napster registriert sind, was gleichbedeutend ist mit weniger Songs, die zum Tausch angeboten werden.

E-Commerce-Chef Schmidt erklärte, im Kielwasser von Napster würden auch andere Services wie Yahoo und AOL Time Warner Abogebühren einführen. Schmidt rechnete vor, dass die den Plattenfirmen angebotene Gebühr von einer Milliarde Dollar einem Umsatz von 5,4 Milliarden an verkauften CDs entspricht, da die Plattenfirmen keine zusätzlichen Produktions- und Logistikkosten hätten. „Das hier ist der größte Umsatzbringer, den die Rechteinhaber finden werden“, so Schmidt. „Und das hier ist nur Napster. Nach uns werden andere kommen.“

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