Deutsche Telekom am Scheidepunkt

Warum die Telekom Gefahr läuft, zur zänkischen Diva unter den Telkos zu werden, die nicht einsieht, dass ihre besten Zeiten vorbei sind

KOMMENTAR – Wir haben´s ja schon immer gewusst: Nicht die Deutsche Telekom (Börse Frankfurt: DTE) hat Probleme, sondern wir, ihre Kunden, wollen einfach nicht verstehen, wo das Management die Prioritäten setzt. Beim 10. Internationalen Presseforum der DTAG, das vergangene Woche in Berlin stattgefunden hat, wiederholten die Telekom-Oberen, allen voran Ron Sommer, die Standpunkte des Rosa Riesen gebetsmühlenartig: Nicht der einzelne, der auf seinen DSL-Anschluss wartet, zählt, sondern der hohe Ausbaugrad des DSL-Netzwerkes in Deutschland durch die Telekom: „Das ist weltweit einzigartig“, so Telekom-Boss Sommer.

Und: Die Wettbewerber würden wohl das unternehmerische Risiko scheuen, so Technik-Chef Gerd Tenzer, warum (sinngemäß) würden sie sonst soviel jammern. Weiter: Nicht die Debis-Manager sind der Telekom davongelaufen, wie in den Medien berichtet, sondern die Telekom wollte sich von bestimmten Mitarbeitern trennen, meinte Vertriebs-Chef Josef Brauner. Nicht zuletzt: Das Verfahren über einen Eilantrag der Deutschen Telekom, der Konkurrenz die Großhandelsflatrate zu verwehren ist nicht verloren gegangen, „die Richter sagten nur die Materie sei zu komplex für einen Eilantrag“. So kann man´s natürlich auch sehen: Die Telekom steckt nicht den Kopf in den Sand, der Himmel ist nur heute stark bedeckt, deshalb ist es so finster.

Ins Bild passt da auch die „T-Interconnect-Office Solution“, die kleinen und mittleren Unternehmen eine Plug-and-Play-E-Commerce-Lösung ins Haus stellen will „auch ohne eigene EDV-Abteilung“. Schließlich verfügt die bislang vernachlässigte Klientel über Kapital, das sie doch bitteschön der Telekom als Universalisten mit Pauschal-Angeboten und nicht einem Spezialisten mit individualisierten Angeboten überlassen soll. „Bis zu 100 Mitarbeiter teilen sich einen einzigen T-DSL-Internet-Anschluss der Telekom“, so der Leiter der Network Services bei T-Systems, Peter Kahl. Und wenn der Server mal zusammenkracht, ist „während der Geschäftszeiten für Geschäftskunden“ ein Partner-Betrieb vor Ort erreichbar. Die Wartung erfolgt remote, sprich, der Mittelständler hat keinen Einfluss darauf, wer seine Geschäftsdaten auf dem Server zu sehen bekommt, der Telekom-Techniker, dessen Schwager womöglich bei der Konkurrenz arbeitet oder der redliche Kollege, der seinen Job und Schweigepflicht ernst nimmt. Ein schönes Angebot für vermutlich 780 Mark im Monat – genaue Preise stehen noch nicht fest.

Wenn das die Strategie der Telekom ist, wundert mich nicht, dass der Kurs des Unternehmens im Keller liegt: Kooperationen wie der Marktplatz „Chemplorer“ mit zwei Chemie-Konzernen oder ein Joint-Venture mit Daimlerchrysler (sic!) werden als die Neuerfindung des Rades verkauft. Das Ergebnis eines hochkarätig besetzten Expertengremiums zum Thema Breitband: „Das Internet wird unser Leben verändern.“ Wer hätte das gedacht. Mein Eindruck nach drei Tagen Telekom: Wenn das Unternehmen nicht bald aufhört zu leugnen, dass es sich an einem wichtigen strategischen Wendepunkt befindet, wird der Rosa Riese innerhalb kürzester Zeit vom ambitionierten Kämpfer gegen verkrustete Staatsbetrieb-Strukturen zur alternden, zänkischen Diva, die nicht einsieht, dass ihre besten Zeiten vorbei sind.

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